Umstrittenes Projekt Israels Kabinett ebnet Weg für Nationalgarde
Um die Justizreform verschieben zu können, musste Israels Premier Netanyahu seinem rechtsextremen Koalitionspartner die Bildung einer Nationalgarde zusagen. Jetzt werden die Pläne für das umstrittene Projekt konkreter.
"Keine bewaffnete Miliz für Ben-Gvir", skandierte am vergangenen Samstag eine Gruppe von Frauen während der Massenproteste. Denn: Es war eine der großen Befürchtungen der Protestbewegung, dass Itamar Ben-Gvir, rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit im Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, grünes Licht für die Bildung einer neu aufzustellenden Nationalgarde bekommen würde.
Seit einer Woche, seit dem vorübergehenden Aussetzen der umstrittenen Justizreform durch Netanyahu, wusste die Öffentlichkeit, welchen politischen Preis sein Koalitionspartner Ben-Gvir für den Verbleib in der Regierung verlangt hatte: Das Umsetzen der von ihm geforderten Nationalgarde, wie dies bereits im Koalitionsvertrag, allerdings eher vage, fixiert worden war.
Bei den Massendemonstrationen am Samstagabend trugen in Tel Aviv knapp ein Dutzend Männer schwarze Fantasieuniformen, schwarze Schirmmützen und schwarze Sturmhauben - zu den Klängen des "Star Wars"-Soundtracks. "Mit Feuer, mit Blut - die Diktatur wir schützen", rief ein junger Mann durch sein Megafon während des makaberen Protestumzugs der schwarzuniformierten Demonstranten.
Regierung beauftragt Bildung einer Nationalgarde
Am Sonntag dann, während der allwöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem, beauftragte die Regierung die Bildung einer Nationalgarde - wie dies von Sicherheitsminister Ben-Gvir verlangt worden war. Innerhalb der nächsten drei Monaten solle eine Kommission, in der alle relevanten Sicherheitsdienste sowie die Armee vertreten sind, Vorschläge unterbreiten, welche Befugnisse diese Nationalgarde haben soll - und vor allem, wem sie unterstellt wird: dem Minister für Nationale Sicherheit, Ben-Gvir, oder dem Chef der israelischen Polizei.
Ben-Gvir hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass diese Einheit ihm unterstellt werden müsse und dass diese Kräfte gegen potentielle Unruhen sowie zur Verbrechensbekämpfung in den arabischen Gemeinden in Israel eingesetzt werden solle. Auch entlang der Grenzen zu den palästinensischen Städten und Kommunen im besetzten Westjordanland würden diese Einheiten aktiv werden. Die neu aufzustellende Nationalgarde werde sich "ausschließlich" darum kümmern, hatte Ben-Gvir im Armeeradio angekündigt.
Polizei und Geheimdienst gegen neue Garde
Widerstand gegen die bislang noch unkonkreten Pläne kommt nicht allein von den Oppositionsparteien, sondern vor allem aus den Reihen der Polizeiführung Israels sowie des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet. Die Bildung einer Nationalgarde sei "unnötig und mit enorm hohen Kosten verbunden, die die persönliche Sicherheit der Bürger beeinträchtigen könnte", schrieb Polizeichef Kobi Shabtai in einem Brief an Ben-Gvir.
Bei den Demonstranten, die seit 13 Wochen jeden Samstagabend zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, gibt es die Befürchtung, dass eine künftige Nationalgarde auch gegen die Protestbewegung eingesetzt werden könnte.
Bereits Anfang März meinten Demonstrationsteilnehmer zu spüren, dass Sicherheitsminister Ben-Gvir die Polizei gegen sie aufhetzen würde: "Ich bin von Anfang an bei den Demonstrationen dabei gewesen. Und die Polizisten waren zu Beginn fantastisch. Es gab keine Gewalt und alles war perfekt mit ihnen abgestimmt. Wir haben uns an alle Abmachungen mit ihnen gehalten. Ab dem Moment aber, ab dem Ben-Gvir damit begann, die Polizisten auf uns zu hetzen, spüren wir die Gewalt vor Ort.“