Gazastreifen WHO beklagt "entsetzliche Zustände" in Klinik
Die Weltgesundheitsorganisation beklagt die Lage im Al-Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen - demnach befinden sich noch mindestens 2.300 Menschen in der Klinik. Laut Israel hat die Hamas dort eine Kommandozentrale.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat erneut "entsetzliche Zustände" im größten Krankenhaus des von der Terrororganisation Hamas regierten Gazastreifens beklagt. Es befänden sich mindestens 2.300 Menschen in der Al-Schifa-Klinik, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1.500 Vertriebene, schrieb die WHO auf der Plattform X. Sie berief sich dabei auf das der Hamas unterstellte palästinensische Gesundheitsministerium.
Demnach konnten Patienten unter anderem keine Dialyse mehr erhalten. Frühgeborene seien ohne Brutkästen in Operationssäle verlegt worden. Nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA starben dabei zwei Babys und zehn weitere Patienten. OCHA bezieht sich dabei auf Angaben des Gesundheitsministeriums der Palästinenserbehörde im Westjordanland.
Laut dem Hamas-Vertreter Abu Risch starben in der Klinik wiederum seit dem Wochenende sieben Frühgeborene und 27 erwachsene Intensivpatienten wegen der fehlenden Stromversorgung. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht.
Direktor der Krankenhäuser: Sicheres Geleit für alle Patienten
Der Direktor der Krankenhäuser im Gazastreifen, Mohammed Sakut, forderte ein sicheres Geleit für alle Patienten aus der umkämpften Schifa-Klinik. Er berichtet von 32 Patienten, die dort zuletzt gestorben seien, darunter sieben auf der Intensivstation. 36 Neugeborene seien noch nicht in Sicherheit gebracht worden und es habe auch keine Absprachen gegeben, damit das passiert. Die Patienten aus dem Krankenhaus müssten über einen sicheren Korridor über die Grenze nach Ägypten gebracht werden, forderte Sakut.
Schon zuvor hatte die WHO die Lage in dem Klinikkomplex mit rund 700 Betten angeprangert. Wegen der Kämpfe in unmittelbarer Nähe und Treibstoffmangels sei eine medizinische Versorgung kaum noch möglich.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen
Israel bestreitet Angriff und Umzingeln
Israel wirft der Hamas vor, unter dem Krankenhaus eine Kommandozentrale zu betreiben - dementierte aber Vorwürfe über Angriffe. "In den vergangenen Stunden wurden Falschinformationen verbreitet, wir würden das Al-Schifa-Krankenhaus umzingeln und angreifen. Dies sind falsche Berichte", sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Samstag. Die Armee bestätigte lediglich Kämpfe in der Nähe der Klinik. Zudem sei das Militär "regelmäßig" in Kontakt mit dem Krankenhauspersonal, sagte Hagari.
Im britischen Sender BBC bestritt ein leitender Arzt der Klinik, dass sich die Hamas in dem Krankenhaus aufhalte. Das sei "eine große Lüge", sagte Chefchirurg Marwan Abu Saada. "Wir haben medizinisches Personal, wir haben Patienten und Vertriebene. Nichts anderes."
Kontakt zu Klinik zeitweise abgebrochen
Nach Angaben von WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte seine Organisation zwischenzeitlich den Kontakt zu ihren Gesprächspartnern im Krankenhaus verloren. Mittlerweile sei dieser aber wieder hergestellt worden, teilte er am Abend auf X mit. "Leider funktioniert das Krankenhaus nicht mehr als Krankenhaus", schrieb er. Es gebe seit drei Tagen unter anderem keinen Strom und kein Wasser mehr.
Zuvor hatte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen erklärt, sollten die Kämpfe nicht gestoppt oder zumindest die Patienten evakuiert werden, "werden diese Krankenhäuser zu Leichenhallen". Inzwischen sind nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) 20 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen "nicht mehr funktionsfähig".
Verwirrung um Treibstofflieferung
Am Samstag hatte das von der Hamas kontrollierte palästinensische Gesundheitsministerium erklärt, das Al-Schifa-Krankenhaus habe seinen Betrieb einstellen müssen, weil der Treibstoff für die Stromgeneratoren ausgegangen sei.
Nach den Worten von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bot Israel dem Krankenhaus an, Treibstoff zu liefern. Dies habe die Hamas abgelehnt, sagte er dem US-Sender NBC. Details nannte Netanyahu nicht. Israel hatte zuvor Treibstoffimporte in den Gazastreifen mit dem Argument verboten, dass die Hamas den Treibstoff für militärische Zwecke verwende.
Klinikchef spricht von Diffamierung
Das israelische Außenministerium hatte berichtet, die im Gazastreifen herrschende Hamas habe die Klinik daran gehindert, 300 Liter Treibstoff zu nutzen, die israelische Soldaten am Samstagabend in Behältern neben dem Krankenhaus abgestellt hätten.
Krankenhausleiter Mohammad Abu Salamia bezeichnete das als "Lüge und Diffamierung". Er wies die Berichte über die abgestellten Behälter zwar nicht zurück - diese Menge reiche aber "keine Viertelstunde" für den Betrieb der Krankenhausgeneratoren. Außerdem befürchte das Team, beschossen zu werden, wenn es die Klinik verlasse, um die Behälter zu holen. Wenn Israel wirklich Treibstoff liefern wollte, hätte es diesen in Kooperation mit dem Roten Kreuz oder einer anderen internationalen Organisation schicken können.
6.000 Patienten sollen in Sicherheit gebracht werden
Der Palästinensische Rote Halbmond teilte mit, dass eine andere Klinik in Gaza-Stadt, das Al-Kuds-Krankenhaus, evakuiert werden soll. Nachdem am Sonntag der Betrieb eingestellt worden sei, weil es keinen Treibstoff mehr für die Generatoren gebe, werde jetzt die Räumung der Klinik vorbereitet.
Israelische Soldaten seien in der Nähe stationiert, und es müssten rund 6.000 Patienten, medizinisches Personal und Vertriebene in Sicherheit gebracht werden, hieß es in einer Mitteilung des Roten Halbmonds, der die Klinik betreibt.
Der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses sagte am Sonntag, die USA hätten Israel aufgefordert, Kämpfe in der Nähe von Krankenhäusern im Gazastreifen zu vermeiden. "Die Vereinigten Staaten wollen keine Gefechte in Krankenhäusern, in denen unschuldige Menschen und Patienten, die medizinische Versorgung erhalten, zwischen die Fronten geraten", sagte Jake Sullivan dem Sender CBS.