Hisbollah in Nahost "Als gehe die Welt einem Krieg entgegen"
Die Sorge ist groß, dass sich der Krieg zwischen den Hamas-Terroristen und Israel ausweitet auf den Libanon. Viel hängt von Hisbollah-Chef Nasrallah ab. Für heute hat er eine weitere Rede angekündigt.
Am Nachmittag redet Hassan Nasrallah. Der Chef der radikalislamischen Hisbollah-Miliz wird wie üblich dunkel gekleidet und mit schwarzem Turban auf Millionen Bildschirmen erscheinen. Zur selben Zeit tagt der islamisch-arabische Gipfel in der saudischen Hauptstadt Riad. Die Worte des Hisbollah-Führers haben allerdings mehr Gewicht in der islamisch-arabischen Welt als jede Gipfelerklärung.
"Labeika ya Nasrallah" - "Wir grüßen Dich Nasrallah", skandierten schon vor einer Woche Tausende in den Schiitenvierteln Beiruts, als der Generalsekretär der Hisbollah zum ersten Mal seit Kriegsausbruch auftrat und damit drohte, alle Optionen seien offen, und die Kämpfer stünden bereit.
So aggressiv Nasrallah auch klingen mag: Bislang meidet er die große Konfrontation, lässt sein weitreichendes, vom Iran geliefertes Raketenarsenal in den unterirdischen Silos. Ob Israels Krieg gegen die Hamas auf den Gazastreifen begrenzt bleibt oder um sich greift, den Libanon, Syrien die gesamte Region erfasst, wird sich im libanesisch-israelischen Grenzgebiet zeigen.
Intensität der Gefechte steigt
Mit jedem Tag steigt dort die Intensität der Gefechte zwischen Hisbollah und der israelischen Armee. Mit jedem Tag gibt es mehr Verletzte und Tote. Aber die Angriffe beschränken sich nach wie vor nur auf das grenznahe Gebiet.
"Hisbollah ist nicht versessen darauf, in diesen Krieg hinein gezogen zu werden. Man hofft, dass idealerweise Hamas den Israelis so viele Verluste zufügen kann, dass man am Ende nicht selber aktiv werden muss", sagt Heiko Wimmen, Analyst der International Crisis Group in Beirut. "Denn wenn es tatsächlich zu einem totalen Krieg kommt, dann werden die Zerstörungen im Libanon furchtbar sein."
Alles Szenarien scheinen denkbar
Was wäre wenn? Diese Frage treibt alle um, denn hier könnte es auch um die Existenz gehen: Was wäre, wenn die vom Iran hochgerüstete Hisbollah und Israel tatsächlich aneinander geraten und der Grenzkrieg eskaliert: Wird dann Beirut bombardiert, detonieren dann Hisbollah-Raketen in Tel Aviv, greifen dann die USA mit ihrer Flotte im Mittelmeer ein, kommt es dann zum großen Krieg mit Iran? Alles scheint derzeit denkbar zu sein.
In den verwinkelten Korridoren der libanesischen Politik sind derzeit nur düster gestimmte Bedenkenträger zu treffen. Die verschiedenen Fraktionen und Gruppen zögen sich immer mehr in geschlossene Zirkel zurück, um sich auf Worstcase-Szenarien vorzubereiten, sagt Ali Hamdan. Er ist einflussreicher Berater des libanesische Parlamentspräsidenten Nabih Berri: "Wir wollen hier keinen Krieg. Aber der Korridor wird immer enger. Es ist, als gehe die Welt eher einem Krieg entgegen als Frieden."