Krieg in Nahost Hamas meldet Tod israelischer Geisel
Der militärische Arm der Hamas hat laut eigenen Angaben eine Geisel im Gazastreifen getötet. Zwei weitere Gefangene wurden verletzt. In dieser Woche sollen die Verhandlungen über einen neuen Geisel-Deal weitergehen.
Die militant-islamistische Hamas hat offenbar eine israelische Geisel im Gazastreifen getötet. Sie sei von einem Bewacher erschossen worden, teilte ein Sprecher des militärischen Arms der Hamas, den Kassam-Brigaden, mit. In einem weiteren Vorfall seien zwei weitere Geiseln lebensgefährlich verletzt worden - ebenfalls durch einen Wächter. Das schrieb Abu Ubaida, der den Brigaden zugerechnet wird, auf Telegram. Bei den zwei Verletzten handele es sich um Frauen. Sie würden "betreut, um zu versuchen, sie am Leben zu halten".
Die Taten seien "eine Reaktion auf die israelischen Verbrechen gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen". Die israelische Armee teilte mit, die Armee verfüge "über keinerlei Geheimdienstinformationen, die es uns ermöglichen, die Angaben der Hamas zu dementieren oder zu bestätigen". Das Militär werde "die Glaubwürdigkeit der Botschaft weiterhin prüfen und verifizieren".
Die Hamas bildete eigenen Angaben nach einen Ausschuss, der die beiden Vorfälle untersuchen solle. Weitere Angaben würden "in der Folge veröffentlicht".
US-Außenminister Blinken erwartet
Israels Armeesprecher Daniel Hagari hatte sich bereits am Montagmorgen besorgt über die Situation der Geiseln geäußert. "Angesichts der langen Zeit, die vergangen ist, und der harten Bedingungen ihrer Gefangenschaft sind wir sehr besorgt über ihren körperlichen und geistigen Zustand", sagte Hagari in einer Fernsehansprache.
Die Vermittler USA, Katar und Ägypten wollen am Donnerstag eine neue Verhandlungsrunde über eine Befreiung der Geiseln und ein Waffenstillstandsabkommen beginnen. Ob neben Israel auch die Hamas Unterhändler entsenden wird, ist unklar. Die Gespräche stocken seit Monaten.
US-Außenminister Antony Blinken sagte in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan, eine Teilnahme sei nötig. Blinken wird Medienberichten zufolge noch heute in der Region erwartet.
Palästinenser im Westjordanland getötet
Bei einem Einsatz der israelischem Armee im Westjordanland wurde offenbar ein 18-jähriger Palästinenser getötet. Palästinensischen Behördenangaben nach wurde er in der Nähe der Stadt Azzun erschossen. Die israelische Armee teilte mit, sie habe den jungen Mann "neutralisiert", weil er auf einen Israeli geschossen habe.
Der Israeli und zwei weitere Palästinenser seien verletzt worden. Die Kassam-Brigaden veröffentlichten eine Erklärung, in der der Tod eines ihrer Kommandeure mitgeteilt wurde. Dieser sei durch ein "feiges Attentat" der israelischen Streitkräfte in Azzun getötet worden.
Unstimmigkeiten zwischen Gallant und Netanyahu
Zwischen Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant gibt es Unstimmigkeiten über das Vorgehen gegen die Hamas. "Der Grund dafür, dass ein Geisel-Abkommen ins Stocken geraten ist, liegt zum Teil an Israel", sagte Gallant Berichten mehrerer israelischer Medien zufolge in einem Briefing eines Parlamentsausschusses.
Gallant habe über die Wahl gesprochen, die Israel zwischen einem Abkommen über eine Waffenruhe, das die Konflikte im Norden mit der libanesischen Hisbollah-Miliz und im Gazastreifen beenden könnte, und einer Eskalation des Kriegs habe, berichtete der Sender "Kan".
Er und der Militärapparat würden die erste Option unterstützen, sagte Gallant, anstatt von einem "'totalen Sieg' und all diesem Unsinn zu sprechen". Damit bezog sich Gallant auf Netanyahu.
"Gallant schadet Chancen auf Abkommen"
Netanyahus Büro veröffentlichte kurz nach Bekanntwerden der Äußerungen Gallants eine Erklärung. Darin warf der israelische Regierungschef dem Verteidigungsminister vor, ein Abkommen zur Freilassung von Geiseln zu gefährden. "Wenn Gallant das Anti-Israel-Narrativ übernimmt, schadet er den Chancen auf ein Abkommen zur Geisel-Befreiung", so Netanyahu.
Das "einzige Hindernis" für ein Geisel-Abkommen sei und bleibe der Chef der Hamas, Yahya Sinwar. Israels einzige Wahl bestehe darin, "den totalen Sieg zu erringen". Dies verpflichte jeden, "auch Gallant". Dieser postete auf X, er habe bei dem Briefing betont, dass er entschlossen sei, die "Kriegsziele zu erreichen und die Kämpfe fortzusetzen".
Der Verteidigungsminister kritisierte zudem, dass seit Kriegsbeginn immer wieder Aussagen in die Öffentlichkeit getragen worden seien. Ein hochrangiger Vertreter der Hamas teilte laut Angaben der Nachrichtenagentur AFP mit, Gallants Äußerungen bestätigten, was die militant-islamistische Palästinenserorganisation "immer gesagt" habe. Netanyahu belüge die Welt, ihm sei das Leben der Geiseln egal.
Mit Informationen von Tim Aßmann, ARD-Studio Tel Aviv