Benjamin Netanyahu und Yoav Gallant
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Krieg in Nahost ++ Gallant nennt Netanyahus Kriegsziel "Unsinn" ++

Stand: 13.08.2024 13:22 Uhr

Israels Verteidigungsminister Gallant hat den von Premier Netanyahu geforderten "totalen Sieg" über die Hamas als "Unsinn" bezeichnet. Russlands Präsident Putin empfängt Palästinenser-Präsident Abbas. Die Entwicklungen im Liveblog.

Angehörige der Huthi-Miliz haben Anfang August offenbar den Sitz des UN-Menschenrechtsbüros in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa gestürmt. Die Extremisten hätten am 3. August die Räumlichkeiten besetzt und Dokumente, Möbel und Fahrzeuge mitgenommen, teilte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk mit. Er forderte die Miliz auf, das Gelände umgehend zu verlassen und das UN-Eigentum zurückzugeben.

Ein Sprecher der Huthi habe sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur AP nicht zu dem Zwischenfall geäußert. Das UN-Menschenrechtsbüro erklärte, es habe seine Arbeit in Sanaa und anderen Gebieten im Jemen, die von den Huthi kontrolliert werden, im Juni eingestellt. In den Teilen des Jemens, die von der international anerkannten Regierung kontrolliert werden, ist das Büro jedoch weiterhin tätig.

Bei einem Einsatz der israelischen Armee im besetzten Westjordanland ist nach palästinensischen Angaben ein 18-jähriger Palästinenser getötet worden, der zuvor bei einem Gefangenenaustausch von Israel aus dem Gefängnis freigelassen worden war.

Wie das palästinensische Gesundheitsministerium mitteilte, wurde der Mann am Montag in der Nähe der Stadt Azzun im Norden des Westjordanlandes "von Besatzungskräften" erschossen. Palästinensischen Angaben zufolge handelt es sich um einen während der Waffenruhe im Gazakrieg im November freigelassenen Mann. Damals waren zahlreiche palästinensische Gefangene gegen israelische Geiseln im Gazastreifen ausgetauscht worden.

Die israelische Armee erklärte, sie habe den jungen Mann "neutralisiert", weil er auf einen israelischen Zivilisten geschossen habe. Der Israeli und zwei weitere Palästinenser seien verletzt worden, hieß es weiter. 

Der Iran hat eine Aufforderung dreier europäischer Länder zurückgewiesen, von Vergeltungsangriffen im Nahen Osten abzusehen. "Solche Forderungen haben keine politische Logik, stehen vollkommen im Widerspruch zu den Prinzipien und Regeln des Völkerrechts und stellen eine übertriebene Bitte dar", sagte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums.

Das Außenministerium ließ wissen, der Iran sei entschlossen, seine Rechte zu verteidigen und brauche für die Vergeltung der Tötung des Hamas-Chefs Ismail Hanija in Teheran keine Erlaubnis, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete.

Der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz und der britische Premierminister Keir Starmer hatten sich am Montag hinter die jüngsten Bemühungen Katars, Ägyptens und der USA um die Vermittlung eines Abkommens zum Ende des Kriegs zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas gestellt. Macron, Scholz und Starmer forderten auch die Freilassung Dutzender Geiseln der Hamas und den uneingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe.

Vor der Küste Jemens ist es in der Nähe von zwei Handelsschiffen zu Explosionen gekommen. Ein Schiff habe im Morgengrauen eine Explosion rund 114 Kilometer südwestlich der von der Huthi-Miliz kontrollierten Stadt Hodeida gemeldet, erklärte die britische Behörde für maritime Sicherheit UKMTO. Die Schiffsbesatzung habe ein kleines Boot gesehen, das sich verdächtig verhielt - und kurz darauf eine zweite Explosion gehört, hieß es weiter.

Laut UKMTO gab es bei dem Vorfall keine Verletzten oder Schäden. Die Behörde erklärte später, das Schiff sei von einer Drohne angegriffen worden, die erfolgreich "neutralisiert" worden sei. Das Handelsschiff sei auf dem Weg in seinen nächsten Hafen, hieß es weiter. 

Auch das US-Sicherheitsunternehmen Ambrey meldete die Explosion, gab allerdings nicht an, um welches Schiff es sich dabei gehandelt habe. Beide Behörden meldeten am Dienstag zudem eine weitere Explosion in der Nähe eines Schiffes 97 Seemeilen von Hodeida entfernt, bei der es ebenfalls weder Verletzte noch Schäden gegeben habe. Zunächst bekannte sich niemand zu den Vorfällen, die jedoch stark den Angriffen ähneln, welche die Huthi-Miliz im Jemen seit November immer wieder gegen Handelsschiffe richtet.

Das Außenministerium Irans weist Forderungen Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens zurück, auf einen Vergeltungsangriff auf Israel zu verzichten. Der Sprecher des Außenministeriums, Nasser Kanaani, fordert die drei Länder auf, "ein für alle Mal gegen den Krieg in Gaza und die Kriegstreiberei Israels aufzustehen." Sie hatten am Montag den Iran und seine Verbündeten aufgefordert, Angriffe auf Israel zu unterlassen.

Der Hamas-Chef Ismail Hanija war in der iranischen Hauptstadt Teheran bei einem Anschlag getötet worden. Hamas und Iran machen dafür Israel verantwortlich und haben Rache angekündigt. Die Regierung in Jerusalem hat sich nicht zu den Hintergründen der Tötung Hanijas geäußert.

Der militärische Arm der Hamas hat laut eigenen Angaben eine Geisel im Gazastreifen getötet. Zwei weitere Geiseln wurden verletzt. In dieser Woche sollen die Verhandlungen über einen neuen Geisel-Deal weitergehen.

Die US-Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit Israels wegen des Kriegs herabgestuft. Wie das Unternehmen mitteilte, bewertet es die Bonität des Landes statt mit "A+" nun mit "A". Der Konflikt im Gazastreifen könne sich noch bis 2025 hinziehen und es bestehe die Gefahr, "dass er sich auf andere Fronten ausweitet", hieß es zur Begründung. Das könne Israels Wirtschaft stark belasten.

Abgesehen von dem Verlust von Menschenleben könne ein langer, sich ausweitender Konflikt zu "umfangreichen zusätzlichen Militärausgaben, der Zerstörung der Infrastruktur und nachhaltigen Schäden der wirtschaftlichen Aktivität und von Investitionen" führen, warnte Fitch. Das wiederum könne Israels Kreditwürdigkeit weiter belasten. Der Krieg im Gazastreifen beeinflusse die Staatsfinanzen Israels, in diesem Jahr drohe ein Defizit.

Im Februar war die Ratingagentur Moody's die erste, die Israels Bonität wegen des Gazakriegs herabstufte, S&P folgte dann im April. Bei allen drei Ratingagenturen befindet sich Israels Kreditwürdigkeit gleichwohl noch immer im A-Bereich, damit gelten Anlagen weiterhin grundsätzlich als sicher.

Die USA und vier europäische Staaten haben den Iran aufgerufen, seine Angriffsdrohungen gegen Israel zu unterlassen. In einer am Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung von US-Präsident Joe Biden sowie den Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreich hieß es, ein solcher Angriff würde "ernste Konsequenzen für die Sicherheit in der Region haben".

Die USA teilten derweil nach Angaben aus Washington die Einschätzung der israelischen Seite, dass noch in dieser Woche eine "bedeutende Reihe von Angriffen" auf Israel erfolgen könnten. Teheran solle "seine fortgesetzten Drohungen mit einem militärischen Angriff auf Israel unterlassen", forderten Deutschland, die USA, Großbritannien, Italien und Frankreich in ihrer gemeinsamen Erklärung.

Die Bemühungen um eine Deeskalation der Lage und ein Abkommen über eine Waffenruhe und eine Freilassung der Geiseln im Gazastreifen würden unterstützt, hieß es in der Erklärung weiter. "Es gilt, keine weitere Zeit mehr zu verlieren", erklärten die fünf Politiker nach einem gemeinsamen Telefonat. Deshalb müssten, wie von den USA, Ägypten und Katar vorgeschlagen, die Verhandlungen in dieser Woche wieder aufgenommen werden.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen tagt am heutigen Dienstag zu einem israelischen Angriff auf eine als Notunterkunft genutzte Schule im Gazastreifen. UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete den Angriff in einem Social-Media-Beitrag als verheerend und beklagte den Verlust von Menschenleben im Gazastreifen.

Algerien hatte die Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats einberufen, nachdem Raketen die Schule am Samstag getroffen hatten. Das von der militant-islamistischen Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen erklärte, es seien mindestens 80 Menschen getötet worden, ob darunter auch Kämpfer waren, sagte es nicht. Nach israelischen Angaben waren 31 der Opfer militante Extremisten.

Die USA fordern internationalen Druck auf den Iran, damit dieser auf den angekündigten Vergeltungsangriff auf Israel verzichtet. "Wir bitten alle unsere Verbündeten, die Beziehungen zum Iran haben, darauf hinzuwirken, dass es zu einer Deeskalation kommt, und dazu gehört auch die Türkei", teilte der US-Botschafter in der Türkei, Jeff Flake, vor Journalisten mit. Die Türkei scheine zuversichtlicher zu sein als die USA, dass es nicht zu einer Eskalation kommen werde.

Der russische Präsident Wladimir Putin empfängt heute Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas in Moskau. "Es wird erwartet, dass ein Meinungsaustausch über die Situation im Nahen Osten im Lichte der aktuellen Verschärfung des palästinensisch-israelischen Konflikts und der beispiellosen humanitären Katastrophe im Gazastreifen stattfinden wird", teilte der Kreml über Telegram mit. Abbas befindet sich bis Mittwoch auf einem seit Langem erwarteten Besuch in Moskau und reist anschließend zu Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan weiter.

Bei einem Einsatz der israelischen Armee im Westjordanland ist nach palästinensischen Angaben ein 18-jähriger Palästinenser getötet worden. Das teilte das palästinensische Gesundheitsministerium am Montag mit. Die israelische Armee erklärte, sie habe den jungen Mann "neutralisiert", weil er auf einen Israeli geschossen habe. Der Israeli sei verletzt und ins Krankenhaus gebracht worden. Zwei Palästinenser seien zudem verletzt worden.

Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant haben über die Gespräche über ein Abkommen über eine Waffenruhe zur Freilassung von im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gestritten. "Der Grund dafür, dass ein Geisel-Abkommen ins Stocken geraten ist, liegt zum Teil an Israel", sagte Gallant Berichten mehrerer israelischer Medien vom Montag zufolge in einem Briefing eines Parlamentsausschusses.

Gallant habe über die Wahl gesprochen, die Israel zwischen einem Abkommen über eine Waffenruhe - das die Konflikte im Norden mit der libanesischen Hisbollah-Miliz und im Gazastreifen beenden könnte - und einer Eskalation des Kriegs habe, berichtete der Sender "Kan". Er und der Militärapparat würden die erste Option unterstützen, sagte Gallant, anstatt von einem "'totalen Sieg' und all diesem Unsinn zu sprechen". Damit nahm Gallant auf eine häufig von Netanyahu getätigte Aussage Bezug.

Netanyahu Büro veröffentlichte kurz nach Bekanntwerden der Gallant-Äußerungen eine Erklärung. Darin warf der israelische Regierungschef dem Verteidigungsminister vor, ein Abkommen zur Freilassung von Geiseln zu gefährden. "Wenn Gallant das Anti-Israel-Narrativ übernimmt, schadet er den Chancen auf ein Abkommen zur Geisel-Befreiung", so Netanyahu. Das "einzige Hindernis" für ein Geisel-Abkommen sei und bleibe der Chef der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, Jahja Sinwar. Israels einzige Wahl bestehe darin, "den totalen Sieg zu erringen". Dies verpflichte jeden, "auch Gallant".

Gallant erklärte bei X, er habe bei dem Briefing betont, dass er entschlossen sei, die "Kriegsziele zu erreichen und die Kämpfe fortzusetzen". Der Verteidigungsminister kritisierte zudem, dass seit Kriegsbeginn immer wieder Aussagen wie die vom Montag nach Außen getragen worden seien.

Der britische Premierminister Keir Starmer hat den Iran gedrängt, von einem Angriff auf Israel abzusehen. In einem Telefonat mit dem neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian habe Starmer am Montag seine tiefe Besorgnis über die Lage in der Region geäußert und alle Parteien zu einer Deeskalation und einer Vermeidung einer weiteren regionalen Konfrontation ermahnt, teilte Starmers Büro mit, und: "Er appellierte an den Iran, davon abzusehen, Israel zu attackieren." Krieg sei in niemandes Interesse, wurde Starmer weiter zitiert.

Mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen habe der britische Premier zudem seinen Einsatz für eine sofortige Feuerpause, eine Freilassung aller Geiseln und einer Ausweitung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen bekräftigt. Starmer und Peseschkian seien sich einig geworden, dass konstruktiver Dialog zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Iran im Interesse beider Länder sei. Doch könne dies nur geschehen, wenn Teheran seine "destabilisierenden Aktionen, darunter Drohungen gegen Personen im Vereinigten Königreich" einstelle und keine Hilfe für die russische Invasion gegen die Ukraine mehr leiste, hieß es.

UN-Chef Guterres hat an Israel und die Hamas appelliert, eine Vereinbarung zur Waffenruhe und zur Freilassung der Geiseln zu treffen. Die Lufthansa setzt ihre Flugverbindungen nach Nahost eine weitere Woche aus.