Nach Assad-Sturz Syriens neue Machthaber wollen Waffen-Kontrolle
Alle bewaffneten Gruppen in Syrien sollen ihre Auflösung bekanntgeben: Das hat Milizenchef al-Scharaa öffentlich angekündigt. Es solle keine Waffen außerhalb von staatlicher Kontrolle geben. Außerdem will er den Einfluss im Libanon zurückfahren.
Syriens neue Machthaber wollen alle Waffen im Land unter staatliche Kontrolle stellen. Der Chef der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Schams (HTS), Ahmed al-Scharaa, sagte bei einer Pressekonferenz mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan, alle bewaffneten Gruppen in Syrien würden bald "ihre Auflösung" bekanntgeben und sich der Armee anschließen.
Die HTS-Miliz werde nicht zulassen, "dass es im Land Waffen außerhalb der staatlichen Kontrolle gibt" - auch nicht in den Gebieten unter der Kontrolle der von Kurden angeführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF). Zugleich kündigt al-Scharaa an, in den nächsten Tagen die neue Struktur der syrischen Streitkräfte bekanntgeben zu wollen.
Künftig weniger Einfluss im Libanon
Zuvor hatte der Führer der Islamistenmiliz erklärt, Syrien werde seine Einflussnahme im Libanon drastisch zurückfahren. Damaskus werde sich nicht länger "negativ in die Angelegenheiten des Libanon einmischen", sagte al-Scharaa bei einem Treffen mit hochrangigen Vertretern der drusischen Minderheit im Libanon. Die neue syrische Führung respektiere "die Souveränität des Libanon, die Einheit seines Territoriums, die Unabhängigkeit seiner Entscheidungen und seine Sicherheitsstabilität".
Das Treffen zwischen dem HTS-Chef und den Drusenführern Walid und Tajmur Dschumblatt fand im Präsidentenpalast in Damaskus statt. Syrien werde im Libanon "in gleicher Distanz zu allen" Seiten bleiben, betonte al-Scharaa. Zugleich räumte er ein, dass Syrien bisher für das Nachbarland eine "Quelle der Angst und Besorgnis" gewesen sei.
Syrien war lange im Libanon aktiv
Walid Dschumblatt gilt seit langem als scharfer Kritiker des gestürzten syrischen Ex-Machthabers Baschar al-Assad. Er wirft den syrischen Behörden unter anderem vor, für die Ermordung seines Vaters 1977 während des Bürgerkriegs im Libanon verantwortlich zu sein.
Die syrische Armee war 1976 als Teil arabischer Streitkräfte in den Libanon einmarschiert, um den ein Jahr zuvor ausgebrochenen dortigen Bürgerkrieg zu beenden. Stattdessen blieben syrische Truppen jedoch bis zu ihrem Abzug im Jahr 2005 in dem Nachbarland präsent, wo pro-syrische Gruppierungen wie die Hisbollah-Miliz fortan sämtliche Bereiche des politischen und militärischen Lebens beherrschten. Der komplette Abzug der syrischen Armee erfolgte schließlich angesichts von Massenprotesten der Opposition im Libanon und großem internationalen Druck.
Die Opposition im Libanon warf Damaskus und der Hisbollah vor, unter anderem hinter dem Attentat auf den beliebten libanesischen Ex-Regierungschef Rafik Hariri zu stecken.
Iran rechnet mit erneutem Widerstandskampf
Der oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, rechnet nach dem Machtwechsel in Syrien mit einem erneuten Widerstandskampf von Syrern gegen die neuen Strukturen im Land. "Wir gehen davon aus, dass sich in Syrien wieder eine starke Gruppe bilden wird", sagte Chamenei bei einer religiösen Zeremonie in Teheran. Vor allem die syrische Jugend werde erneut Widerstand gegen diejenigen leisten, die ihr Land und ihre Zukunft wiederholt unsicher gemacht hätten, so der Geistliche laut Nachrichtenagentur Isna.
Der Sturz des langjährigen syrischen Machthabers Assad war ein schwerer Schlag für den Iran, der dadurch seine Rolle im Nahen Osten geschwächt sieht. Der Iran zählte zu den wichtigsten Verbündeten von Assad. Syriens Ex-Machthaber spielte lange Zeit eine strategische Rolle für Teheran, insbesondere bei ungehinderten Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah-Miliz, die ebenfalls in Syrien aktiv ist.