Nach Machtwechsel Welche Ziele verfolgen die USA in Syrien?
Nach Assads Sturz hoffen die USA auf einen geordneten Übergang in Syrien. Außenminister Blinken ist zu Gesprächen in der Region. Welche Ziele verfolgt die scheidende Regierung - und was will der künftige Präsident Trump?
Die Entwicklung in Syrien bietet eine "historische Gelegenheit", ist aber auch voller "Risiken und Unsicherheit" - so hat es US-Präsident Joe Biden kurz nach dem Umsturz formuliert.
Biden ließ umgehend Stellungen des sogenannten Islamischen Staats in Syrien bombardieren, um ein Wiedererstarken der Terrormiliz zu verhindern. Gleichzeitig lässt der US-Präsident Schritte zur Zusammenarbeit mit der islamistischen HTS prüfen, die weitgehend die Kontrolle in Syrien übernommen hat.
"Ängste haben sich aufgelöst"
"Die Amerikaner fühlen sich vom Verhalten der HTS zunehmend ermutigt", sagt der Politikwissenschaftler Murhaf Jouejati, der selbst aus Syrien stammt und an mehreren US-Universitäten unterrichtet. "Es gibt erste Überlegungen in Washington, die HTS von der Liste der Terrororganisationen zu streichen und Sanktionen aufzuheben, um die syrische Wirtschaft wieder in Gang zu bringen."
HTS-Anführer Muhammed al-Dscholani habe bisher die richtigen Dinge gesagt und sei auf verschiedene Minderheiten zugegangen - auch auf die Christen in Syrien, so der Politologe. "Es werden zum Beispiel Weihnachtsbäume aufgestellt. Christen in Syrien waren anfangs sehr nervös. Aber die Ängste haben sich nach den ersten Tagen weitgehend aufgelöst."
Trotzdem mahnt Jouejati zur Vorsicht: "Wir müssen weiter mit dem Mikroskop beobachten, wie sich die HTS genau verhält."
Folgt Trump Bidens Plänen?
Der Einfluss der USA in Syrien ergibt sich vor allem aus der Unterstützung kurdischer Gruppen, die die wichtigsten Öl- und Gasquellen des Landes kontrollieren. Offiziell sind noch 900 US-Soldaten in Syrien stationiert, dazu kommen private Sicherheitsdienste und kurzfristig entsandte Spezialeinheiten des US-Militärs.
Wird Donald Trump nach seinem Amtsantritt am 20. Januar an der US-Präsenz in Syrien festhalten? Obwohl er schon in seiner ersten Amtszeit über einen Abzug nachgedacht hat?
Trump werde bleiben, meint Syrien-Experte Jouejati. "Er mag sich eigentlich am liebsten aus Syrien heraushalten. Aber er betont stets, er stehe eng an der Seite Israels. Israel unterstützt die Autonomie der Kurden. Trump wird kaum eine andere Wahl haben, als die Syrien-Politik Bidens im Großen und Ganzen fortzusetzen."
Rolle der Kurden
Die Unterstützung der Kurden in Syrien bringt die USA allerdings in einen Dauerkonflikt mit dem NATO-Partner Türkei. Die türkische Regierung lehnt eine Autonomie der Kurden strikt ab. Im Extremfall könne dies zu einem Auseinanderbrechen des syrischen Staates führen, warnt Jouejati
So sehr ihn die ersten Tage nach dem Umsturz in Syrien hoffnungsvoll stimmen, so sehr macht sich der Politikwissenschaftler langfristig Sorgen:
Wenn Großmächte in Krisen eingreifen, haben sie die unglückliche Angewohnheit, alles schlechter zu machen.
Es sei immer einfach zu sagen, man wollen sich nicht einmischen, die Syrer müssten ihre Probleme selbst lösen. "Doch die Erfahrung zeigt: Syrien liegt im Herzen des Nahen Ostens. Andere Mächte werden sich einmischen. Und wahrscheinlich alles verderben," so Jouejati.