Wahlkampf der türkischen Opposition Kilicdaroglu will Millionen Syrer zurückschicken
Am 14. Mai wählt die Türkei einen neuen Präsidenten. Der Kandidat des Oppositionsbündnisses Kilicdaroglu hat reelle Chancen - und klare Pläne für die internationale Politik seines Landes. Doch wie realistisch sind sie?
Die anstehenden Wahlen in der Türkei werden für den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zur Machtprobe: Aktuellen Umfragen zufolge hat der Kandidat Kemal Kilicdaroglu des Oppositionsbündnisses Millet Ittifaki gute Chancen, die Wahl zu gewinnen. Und er verspricht im Wahlkampf:
Wir werden unsere syrischen Brüder und Schwestern innerhalb von höchstens zwei Jahren wieder in ihr Heimatland zurückschicken, ohne dass dabei unserer edlen Nation der Ruf von Fremdenfeindlichkeit angelastet wird. Ich möchte, dass alle das wissen.
Mehrfach hat er dies geäußert. Alle Syrerinnen und Syrer zurückzuschicken - auf freiwilliger Basis, so formuliert er es. Und die aus Afghanistan geflohenen Menschen, die werde er zurück in das Land schicken, über welches sie die Türkei betreten haben: den Iran.
Damit trifft Kilicdaroglus Republikanische Volkspartei CHP bei vielen Menschen in der Türkei auf einen Nerv. Mit Äußerungen, wie viel Erdogans Regierung für Flüchtlinge ausgebe, während die türkische Bevölkerung unter Inflation und hohen Preisen zu leiden habe - so die Rhetorik.
"Kein realistisches Vorhaben"
3,5 Millionen Menschen aus Syrien zurückzuführen, von denen viele in der Türkei bleiben wollen, sei kein realistisches Vorhaben, sagt Politikwissenschaftler Suat Özcelebi: "Wir wissen, dass der angegebene Zeitraum von zwei Jahren am Ende an der Realität scheitern wird. Eine Rückführung von - wie angekündigt - 80 bis 90 Prozent der im Land lebenden Flüchtlinge ist praktisch nicht umsetzbar." Naheliegender sei, dass eine Mehrheit der Flüchtlinge im Land bleibe.
Falls die CHP also bald das Land regiert, würde Kilicdaroglus Regierung nach eigener Auskunft versuchen, bestimmte Schritte einzuleiten: Mit dem syrischen Staat verhandeln und sich um den Aufbau einer notwendigen Infrastruktur in Syrien mithilfe von EU-Geldern zu bemühen.
Kilicdaroglu will Bedingungen für EU-Aufnahme erfüllen
Denn auch die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union hat man im Blick: Kilicdaroglu habe gegenüber zwei europäischen Botschaftern geäußert, dass die Türkei unter seiner Regierung alle Bedingungen für eine Aufnahme in die EU erfüllen werde. Selbst wenn diese die Türkei nicht als Mitglied aufnimmt. Das berichtete die Nachrichtenplattform Middle East Eye.
Ein weiteres seiner zentralen Anliegen - welches auch von großem Interesse für viele Menschen in Deutschland ist, die Verwandte und Freunde in der Türkei haben - ist die Visafreiheit für türkische Staatsbürger bei Reisen in die EU. Bisher sind selbst ein kurzer Besuch oder Urlaub nicht ohne Visum möglich. Die Hürden dafür sind hoch, für viele ist es außerdem kaum erschwinglich.
Das möchte Kilicdaroglu ändern, und zwar sehr bald. Innerhalb von drei Monaten nach den Wahlen soll dies möglich sein, so verspricht er es im Wahlkampf.
Gesetzliche Hürden für Visafreiheit
Allerdings, so schnell und simpel wie er es gerade darstellt, sei es nicht. Das äußern verschiedene politische Beobachter. "Das Bündnis deklariert, dass es bereit ist, alle mit der Visafreiheit verbundenen Kriterien zu erfüllen. Ich halte allerdings den genannten Zeitraum von drei Monaten für unrealistisch, zu kurz", sagt der Politikwissenschaftler Özcelebi. Für die Visafreiheit müssten vom Parlament einige Gesetze geändert werden. Das ginge nicht einfach per Dekret des Präsidenten, bemerkt Özcelebi.
Denn ein Kriterium ist die Anpassung des türkischen Anti-Terror-Gesetzes. Das richtet sich unter anderem gegen die verbotene kurdische PKK und die Gülen-Bewegung. Letztere macht die aktuelle Regierung für den Putschversuch 2016 verantwortlich. Ob es nach den Wahlen am 14. Mai eine Mehrheit für eine solche Gesetzesänderung im türkischen Parlament geben wird, ist ungewiss.
Und was den Streit mit Griechenland um die Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer angeht: Kilicdaroglu hat geäußert, dass seine Regierung da einen ähnlich harten Kurs wie der amtierende Präsident Erdogan fahren würde. Auch wenn die Verhandlungen mit einer CHP-Regierung für die EU nicht unbedingt einfacher werden: Aus diplomatischen Kreisen heißt es, dass sich zumindest der Tonfall in den Gesprächen entspannen könnte.