Krieg in Nahost Im Libanon stehen die Zeichen auf Waffenruhe
Alles deutet darauf hin, dass noch heute eine Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel verkündet wird. Beide Kriegsparteien müssten sich dann aus dem Süden des Libanon zurückziehen. Doch nicht alle sind für ein Ende der Kämpfe.
Eine Waffenruhe sieht anders aus: Während Israels Truppen weiter vorrücken und die Luftwaffe weitere Gebäude in der libanesischen Hauptstadt Beirut zerstört, sind auch heute wieder Raketen aus dem Libanon auf Israel abgefeuert worden.
Eine traf ein Haus in Kirjat Schmona an der Grenze. Der Ort ist eine Geisterstadt. Doch Berichten über eine unmittelbar bevorstehende Waffenruhe trauen die Menschen nicht, die hier einmal gelebt haben.
Tamar Zaduk sagte dem Fernsehsender Channel 12: "Wir sind sehr wütend. Ich bin wütend auf die Regierung, wütend auf den, der an ihrer Spitze steht. Sie benehmen sich wie eine kriminelle Bande. Sie fragen uns nicht einmal nach unserer Meinung. Ein Jahr und zwei Monate waren wir nicht mehr in unseren Häusern. Wir, unsere Kinder und die Alten, mussten durch so viele Krisen. Die Stadt ist zerstört. Die Infrastruktur ist zerstört. Auf Schulen und Kindergärten gab es direkte Einschläge. Wohin genau sollen unsere Kinder zurückkehren?"
Waffenruhe soll zunächst 60 Tage dauern
Und doch sind die israelischen Berichte sehr konkret: Israels Premierminister Benjamin Netanyahu habe dem Plan prinzipiell zugestimmt, das Sicherheitskabinett werde ihn beschließen, heißt es aus Regierungskreisen. US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wollen die Waffenruhe verkünden.
Sie soll zunächst 60 Tage dauern. Israels Truppen sollen sich in der Zeit aus dem Libanon zurückziehen, die Schiitenmiliz Hisbollah aus dem Süden des Landes. Libanesische Truppen sollen zusammen mit UN-Truppen dort für die Sicherheit sorgen. Ein Komitee aus fünf Staaten mit deutscher Beteiligung und unter Führung der USA soll die Waffenruhe überwachen.
Eine entmilitarisierte Zone im Süden des Libanon ist der Kern der UN-Resolution 1701 aus dem Jahr 2006, die nie durchgesetzt wurde. Auch deshalb findet Amos Yadlin, der ehemalige Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, die Pläne gut.
"Das ist ein gutes Abkommen. Es löst nicht alle Probleme, aber es bietet eine gute Basis, denn es basiert auf der Resolution 1701", sagt Yadlin. "Alle wissen, dass die Resolution 1701 nicht so durchgesetzt wurde, wie es hätte sein müssen. Weder die libanesische Armee noch UNIFIL haben dafür gesorgt. Wir vertrauen ihnen daher nicht, und ich hoffe, dass der Staat Israel sein Verständnis der Sicherheit geändert hat."
Hardliner wollen Regierung nicht zerbrechen lassen
Doch es gibt auch die Hardliner in Israel, die vom "totalen Sieg" über die Hisbollah sprechen, die seit dem Beginn des Gazakriegs Israel mit Raketen und Drohnen beschießt. Itamar Ben Gvir, der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit, verlangt, dass der Krieg, der im Libanon schon tausende Todesopfer gefordert und hunderttausende Menschen vertrieben hat, nicht aufhört.
Er sagte bei der Sitzung seiner Fraktion in der Knesset: "Das Abkommen, das mit der Hisbollah geschlossen werden soll, ist ein historischer Fehler des Staates Israel. Wir sind in einer Phase, in der der Hisbollah der Sauerstoff ausgeht, in der sie geschlagen werden kann. Ich richte mich an den Premierminister: Wir stoppen nicht! Das habe ich Ihnen auch mit Bezug auf den Gazastreifen gesagt, und ich sage es Ihnen auch jetzt: Begehen Sie nicht den Fehler! Man macht so lange weiter, bis der Feind zerschlagen ist. Es muss ein totaler Sieg her."
Gleichzeitig haben Ben Gvir und andere signalisiert, dass durch eine Waffenruhe im Libanon Netanyahus Regierungskoalition wohl nicht in Gefahr sei.
Israel will bei Bedrohung militärisch eingreifen können
Ob eine Waffenruhe die etwa 60.000 Evakuierten zurück in ihre Häuser bringt, was immerhin eines der Kriegsziele Israels ist? David Azulai, Bürgermeister des Ortes Metulla im Norden Israels, glaubt das nicht: "Für die Bewohner des Nordens und die Bürger Israels ist dieses Abkommen eine Kapitulation gegenüber der Hisbollah."
Er wolle daran erinnern, dass man es in Israel mit einer rechtsradikalen Regierung zu tun habe. "Und jetzt schließt sie mit der Hisbollah, dem Arm des Iran, ein Abkommen. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Premierminister gegen die iranische Bedrohung aufgebaut und jetzt, wo es gilt, diese iranische Bedrohung zu bekämpfen, kapitulieren wir. Die Bedrohung ist noch immer da", sagt Azulai.
Sollte die Waffenruhe verkündet werden, hängt alles davon ab, ob sie eingehalten wird. Israel behält sich offenbar das Recht vor, im Falle einer Bedrohung wieder militärisch einzugreifen. Eine erneute Eskalation ist also nicht ausgeschlossen.