Urteil gegen Rebellenführer Ongwen schuldig in 61 Punkten
Der Internationale Strafgerichtshof hat LRA-Kommandant Ongwen wegen 70 Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Uganda verurteilt. Bei der Miliz war er vom Opfer zum Täter geworden.
Ruhig, fast stoisch blickt Dominic Ongwen durch den Saal am Internationalen Strafgerichtshof, als der Vorsitzende Richter Bertram Schmitt das Urteil verliest: Schuldig der Folter, Plünderung, Vergewaltigung, sexuellen Versklavung - und vollumfänglich verantwortlich für alle von der Anklage gefundenen Verbrechen.
70 Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden dem ugandischen Kommandanten der Miliz "Lord's Resistance Army" (LRA) zur Last gelegt - so viele wie noch keinem anderen Angeklagten des Tribunals zuvor. Vergewaltigung und die Entführung von Kindern zählen dazu, die dann missbraucht und zum Kampf oder sexuellen Handlungen gezwungen wurden - und die bestialische Verstümmelung und Ermordung von Zivilisten im Blutrausch. In 61 Punkten wurde Ongwen nun für schuldig befunden, das Strafmaß soll zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden.
Kinder vergewaltigt und versklavt
Den gesamten Prozess verfolgte Ongwen, Kampfname "Weiße Ameise", so ruhig, machte höchstens einmal Notizen in ein rotes Buch - die Miene stets reglos. Auch bei den Aussagen der Opfer seines Gewaltregimes: Augenzeugen berichteten von Gewaltorgien, bei denen Menschen Lippen und Ohren abgeschnitten worden seien. Kinder hätten ihre Eltern, Geschwister und Freunde zu Tode prügeln und dann deren Blut trinken müssen. Ongwen habe seinen Soldaten auch befohlen, ihre Opfer zu kochen und zu essen, schilderte ein Zeuge. Die Staatsanwaltschaft machte den Rebellenführer ferner für die Tötung von Zivilisten zwischen 2002 und 2005 in vier Lagern im Norden Ugandas verantwortlich.
Während die Jungen zum Kampf gezwungen wurden, mussten Mädchen als Sexsklavinnen dienen: Das Kriegsverbrechertribunal beschuldigte Ongwen auch der Zwangsverheiratung und der erzwungenen Schwangerschaft - Ongwen soll so mehr als 20 Kinder gezeugt haben. Der heute 45-Jährige soll mindestens sieben Frauen haben, von denen die jüngste bei der ersten Vergewaltigung erst zehn Jahre alt war.
Im Urteilsspruch hieß es dazu, Ongwens Fall zeige, dass die Sexualverbrechen an Frauen unter seinem Kommando systematisch und institutionalisiert gewesen seien - es ist der erste Fall einer Verurteilung wegen erzwungener Schwangerschaft.
Vom Opfer zum Täter geworden
Das Besondere an dem Fall: Die Geschichte von Ongwen ist zugleich die eines Opfers schrecklicher Gewalt - und die eines Täters, der unvorstellbare Grausamkeiten verübte. Er selbst wurde im Alter von 14 Jahren entführt, gefoltert, missbraucht und zum Kindersoldaten ausgebildet.
Später gab er die Gewalt, die ihm angetan wurde, laut Gericht gnadenlos zurück: Schon als Kindersoldat sei er durch seine Loyalität, seine Unerschrockenheit und sein strategisches Geschick aufgefallen. Schnell stieg er in den Rängen der LRA auf und leitete schließlich eine ihrer vier Brigaden.
Von 2005 an wurde er mit internationalem Haftbefehl gesucht. Fast zehn Jahre lang fahndete der Strafgerichtshof nach Ongwen, Washington setzte fünf Millionen Dollar Belohnung für seine Festnahme aus. Im Januar 2015 stellte er sich schließlich einer US-Spezialeinheit in der Zentralafrikanischen Republik. Ongwen hatte sich offensichtlich mit dem Anführer der LRA überworfen, nachdem dieser einen anderen Kommandeur hingerichtet hatte.
Hexerei als Verteidigungsgrundlage
Die Anklage in Den Haag stützte sich im Prozess auf 74 Zeugen und 5800 Beweisstücke wie Funkmitschnitte, Fotos und Videos. Sie zeichnete das Bild eines enthemmten Monsters. Das Gericht sei von der Schuld des Angeklagten so überzeugt, dass kein vernünftiger Zweifel bestehe, sagte der Vorsitzende Richter Bertram Schmitt bei der Urteilsverkündung.
Die Verteidigung hingegen hatte argumentiert, dass die eigene Traumatisierung als Kindersoldat Ongwen zum Mörder machte - und zudem Hexerei ins Feld geführt. Es ist das erste Mal, dass der Internationale Strafgerichtshof sich mit diesem Tatbestand auseinander setzen musste.
Die zentrale Frage des Prozesses war daher: Ist jemand für Verbrechen verantwortlich, die er wohl nie begangen hätte, wenn er nicht selbst erst Opfer gewesen wäre? Ongwen beteuerte immer seine Unschuld und verwies auf seine eigene Verhexung durch den Anführer der LRA, Joseph Kony. Er plädierte auf nicht schuldig: "Im Namen Gottes" wies er alle Anschuldigungen zurück.