EU-Gipfel in Vilnius Die Ukraine zwischen den Stühlen
Während Georgien und Moldawien sich weiter in Richtung EU bewegen, steht die Ukraine nach wie vor zwischen Russland und der EU. Daran hat auch der EU-Gipfel in Vilnius nichts geändert - das Partnerschaftsabkommen wurde wie erwartet nicht unterzeichnet.
Von Kai Küstner, WDR-Hörfunkstudio Brüsel, zzt. Vilnius
Vielleicht hatten viele gehofft. Doch erwartet hatte eigentlich niemand mehr, dass der ukrainische Staatspräsident Viktor Janukowitsch in letzter Sekunde doch noch den Füller zücken und das längst fertig verhandelte Partnerschaftsabkommen mit der EU unterschreiben würde. Und dabei blieb es.
Auch ein Vier-Augen-Gespräch von Kanzlerin Angela Merkel mit Janukowitsch half nicht mehr: "Er hat viele Schwierigkeiten im wirtschaftlichen Bereich, insbesondere, was die Gaslieferungen anbelangt. Hier wird Europa auch Gas in Zukunft zur Verfügung stellen, wenn die Ukraine das möchte. Aber es ist ein beschwerlicher Weg, den wir noch zu gehen haben."
Unterzeichnung unter Bedingungen
Janukowitsch hatte in letzter Zeit öfter unter Beweis gestellt, dass er immer für eine Wende in die eine, westliche, oder auch in die andere, östliche, Richtung gut ist. So überraschte er kurz nach Beendigung des Gipfels mit der Botschaft, er sei zu einer Unterzeichnung des Abkommens in naher Zukunft bereit - und unter Bedingungen.
Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, zeigte sich im Interview mit dem WDR-NDR-Studio Brüssel überrascht und sagte: "Wenn er das Abkommen innerhalb kürzester Zeit unterschreiben will, warum hat er das nicht heute gemacht?"
Langer Atem notwendig
Die EU-Staats- und Regierungschefs jedenfalls scheinen sich eher auf einen längeren Vorgang einzustellen. Was übrigens auch für das Land gilt, das zwar in Litauen gar nicht mit am Tisch saß, aber auch in Abwesenheit irgendwie ständig anwesend und Gegenstand sämtlicher Gespräche war: Russland.
Kanzlerin Merkel erklärte: "Die Aufgabe für uns als Mitglieder der EU wird jetzt auch darin bestehen, noch stärker mit Russland darüber zu reden, wie wir aus dem ‚Entweder-Oder’ - entweder Bindung an Russland oder Bindung an die Europäische Union - herauskommen. Ich glaube, da liegt auch eine Aufgabe für Deutschland. Das ist ein dickes Brett, das wir bohren müssen. Aber wir geben keinerlei zeitliche Vorgaben."
Russland droht Ukraine mit weniger Gas-Zufuhr
Russland würde die Ukraine gerne in seine eigene Zollunion eingliedern und hatte, um ein Abkommen mit Europa zu verhindern, dem Nachbarn unverhohlen gedroht: mit weniger Gas-Zufuhr und vermehrten Zöllen. Gleichzeitig lockte es mit Milliarden-Summen. Gelder, die niemand in Europa derzeit aufzubringen bereit ist.
Barroso: Kein Gespräch zu dritt
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erteilte auch sehr deutlich allen Vorschlägen eine Absage, man könne sich ja nun zu dritt, mit der Ukraine und Russland, gemeinsam an einen Tisch setzen: "Das ist nicht akzeptabel. Wir respektieren die Souveränität aller Länder in der Welt. Wenn es für uns um Handels-Abkommen mit Kanada oder Südkorea geht, dann laden wir auch nicht ein drittes Land ein, um den Abschluss des Abkommens auszuhandeln." So wandte sich der Kommissions-Präsident an die Adresse Russlands.
Dass man mit Moskau aber irgendwie reden müsse, daran gibt es keinen Zweifel. Schließlich bezieht auch Europa viel Gas aus der Region - und kann sich auch nicht leisten, einen regelrechten Streit anzuzetteln.
Georgien und Moldawien auf dem Weg in die EU
Immerhin scheinen Georgien und die Republik Moldau auf dem Weg Richtung Europa. Die Vertragsverhandlungen mit den beiden Ländern wurden in Vilnius abgeschlossen. Was aber die Ukraine angeht, so spricht EU-Parlamentspräsident Schulz davon, dass man einen Fehlschlag erlebt habe.
Rats-Präsident Herman van Rompuy wählt eine blumigere Sprache, wenn er in die Zukunft blickend sagt, man dürfe das "Rendezvous mit der Geschichte" nicht verpassen. Womit er meint, dass die EU für ein Abkommen weiterhin zu haben sei. Vorerst aber muss diese "Begegnung mit der Geschichte" noch warten.
EU-Kommissionschef José Manuel Barroso fügte hinzu: "Wir können keinerlei Vetorecht von Drittstaaten hinnehmen." Die Zeit der begrenzten Souveränität von Staaten in Europa sei endgültig vorbei. Die EU will bei einem Spitzentreffen mit Russland Ende Januar 2014 diese Fragen mit Präsident Wladimir Putin debattieren.