EU-Parlamentspräsidentschaft Vier Kandidaten - ein Favorit
Vier Kandidaten gehen heute ins Rennen um den Posten des Präsidenten des Europäischen Parlaments. Der Italiener und Kandidat der Sozialdemokraten, Sassoli, ist der Favorit. Denn er wird auch unterstützt von der EVP.
EVP-Fraktionschef Manfred Weber hat seiner konservativen Parteienfamilie empfohlen, für einen sozialdemokratischen Parlamentspräsidenten zu stimmen. Die EU-Abgeordneten bestimmen heute einen neuen Parlamentspräsidenten.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuvor mitgeteilt, dass Sozialdemokraten und Konservative nach Meinung der EU-Staats- und Regierungschefs das Amt in den kommenden fünf Jahren im Wechsel bekleiden sollen. Die erste zweieinhalbjährige Amtszeit solle an die Sozialdemokraten gehen, die zweite an die Europäische Volkspartei EVP.
Journalist und Politiker
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die EVP-Fraktion der Empfehlung Webers folgen. Dann könnte der italienische Abgeordnete David-Maria Sassoli Parlamentspräsident werden. Am Abend verständigten sich die Sozialdemokraten im Parlament auf die Kandidatur des Journalisten und Politikers der italienischen Partito Democratico. Er könnte zwar von den beiden großen Fraktionen des Hauses unterstützt werden. Doch er ist auf Stimmen anderer Parteien angewiesen. EVP und Sozialdemokraten verfügen über keine Mehrheit.
Die Grünen haben mit Ska Keller selber eine Bewerberin im Rennen. Darüber hinaus stellt die Linkspartei mit der Spanierin Sira Rego eine Kandidatin. Für die Fraktion der EU-skeptischen Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), zu der die Abgeordneten der britischen Tories sowie der polnischen Regierungspartei PiS gehören, tritt der Tscheche Jan Zahradil an.
Zunächst absolute Mehrheit erforderlich
Laut Geschäftsordnung benötigt ein Kandidat in den ersten drei Durchgängen die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen. Erreicht das kein Bewerber, treten im vierten Durchgang die beiden bestplazierten Kandidaten zur Stichwahl an.
Zwischen den Wahlgängen können sich Kandidaten zurückziehen, um die Chancen eines anderen Bewerbers zu erhöhen - und um bestimmte Forderungen ihrer Fraktion durchzusetzen. Heute ist auch die Wahl der 14 Vizepräsidenten des Parlaments geplant.
Kritik an Nominierung von der Leyens
Das Europaparlament wird darüber hinaus in der Woche ab dem 15. Juli über die neue EU-Kommission abstimmen. Das Votum wird mit Spannung erwartet, denn die Nominierung von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Nachfolgerin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stößt im Straßburger Parlament auf Widerstand. Die Entscheidung des EU-Gipfels sei "zutiefst enttäuschend", erklärte die Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei, Iratxe García.
Die Fraktion halte strikt am Prinzip fest, wonach die Spitzenkandidaten der europäischen Parteien zugleich deren Anwärter auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten sind.
SPD: Ein "Armutszeugnis"
Massive Kritik äußerte auch Jens Geier, der Leiter der SPD-Delegation im Europaparlament. Das Parlament könne "diesem Personaltableau nicht zustimmen". Es sei ein "Armutszeugnis" für den Europäischen Rat, der damit das Spitzenkandidatenprinzip über Bord werfe. Von der Leyen sei keine Spitzenkandidatin gewesen; daher sei sie "als Chefin der Kommission untragbar".
Auch die Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) und die Grünen hatten wiederholt betont, sie wollten am Spitzenkandidatenprinzip festhalten. Es sei unredlich, zuerst den Wählern zu versichern, sie hätten Einfluss auf die Nominierung des Kommissionspräsidenten und dann dieses Versprechen über Bord zu werfen, sagte der deutsche Grüne Sven Giegold.