Mögliche neue EU-Sanktionen Russland droht mit Überflugverbot
Russlands Ministerpräsident Medwedjew hat dem Westen im Fall neuer Sanktionen im Ukraine-Konflikt mit Gegenmaßnahmen gedroht. In einem Interview sprach er von einem möglichen Überflugverbot, das für westliche Fluggesellschaften teuer würde.
Moskau könnte auf die angekündigte Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland mit einer Aufhebung der Überflugrechte für europäische Luftlinien reagieren. Im Fall neuer Sanktionen gegen den Energiesektor oder weiterer Restriktionen gegen den russischen Finanzsektor müsse Russland "asymmetrisch" antworten, sagte Regierungschef Dimitri Medwedjew in einem Interview mit dem russischen Wirtschaftsmagazin "Wedomosti". Als mögliche Maßnahme nannte er explizit die Überflugrechte.
Russland gewähre die Überflugrechte aufgrund der freundschaftlichen Beziehungen zu seinen Partnerländern, sagte der Regierungschef und ehemalige Präsident Medwedjew. "Aber wenn sie uns einschränken, werden wir reagieren müssen." Medwedjew warnte vor den Folgen dieses Schrittes: "Wenn westliche Gesellschaften unseren Luftraum meiden müssen, kann das zum Bankrott vieler Fluggesellschaften führen, die schon jetzt ums Überleben kämpfen." Er forderte, es nicht zu einer Sanktionsspirale zwischen Russland und dem Westen kommen zu lassen.
Eine russische Luftraumsperre würde tatsächlich viel Geld kosten - allerdings beide Seiten, erwarten Experten. So hat die russische Luftfahrtbehörde zwar die Kosten, die europäische Gesellschaften wie die Lufthansa dank kurzer Routen über Russland einsparen, auf mehr als 20.000 Euro pro Flug beziffert. Alternativrouten etwa über den Persischen Golf würden zusätzliche Millionenkosten verursachen. Doch auch die Russen haben einiges zu verlieren. Zunächst gehen die Überfluggebühren verloren und zudem könnte Europa seinerseits mit einem Überflugverbot für russische Maschinen kontern.
Neue Sanktionen noch heute?
Wegen des Ukraine-Konflikts haben die EU und die USA schon eine Reihe von Sanktionen erlassen, die der Kreml unter anderem mit Importverboten gegen westliche Produkte konterte. Noch heute sollen die EU-Mitgliedstaaten das nächste Sanktionspaket verabschieden. Die neuen Strafmaßnahmen werden von den EU-Mitgliedstaaten in einem schriftlichen Verfahren beschlossen. Am Dienstag werden sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Dann treten die Sanktionen in Kraft.
Die Pläne sehen insbesondere weitere Restriktionen für Finanzgeschäfte und für sogenannte Dual-Use-Güter vor, also bei Gütern, die für zivile und militärische Zwecke genutzt werden können. Zudem sollen weitere Einreiseverbote ausgesprochen und Auslandsvermögen eingefroren werden.
Laut ARD-Korrespondent Christian Feld geht es vor allem darum, den Zugang zum Kapitalmarkt weiter einzuschränken. Dabei sollen nun nicht mehr nur Banken, sondern auch russische Unternehmen von den Sanktionen getroffen werden.
Laut EU-Diplomaten sollen auch die drei großen Energiekonzerne Gazprom, Rosneft und Transneft mit den Sanktionen getroffen werden. Für die drei mehrheitlich dem russischen Staat gehörenden Firmen solle der Zugang zum europäischen Finanzmarkt eingeschränkt werden. Auch sollen neue Einreiseverbote und Kontensperrungen ausgesprochen werden. Laut Christian Feld soll aber kein russischer Minister auf die Sanktionslisten. Zudem gebe es die Möglichkeit, die Verschärfung der Sanktionen jederzeit zu stoppen.
Der Ölkonzern Rosneft ist bereits von den bisherigen Sanktionen betroffen. Ihm versprach Medwedjew Finanzhilfen der russischen Regierung. "Solche Investitionen lohnen sich immer", sagte Medwedjew in dem Interview. Russlands größter Ölkonzern erhält wegen internationaler Ukraine-Sanktionen gegen Russland derzeit kein Geld am Kapitalmarkt. Das Unternehmen hat daher um Unterstützung zur Tilgung von umgerechnet 31 Milliarden Euro Schulden gebeten. "Diese Zahl ist nur auf den ersten Blick eindrucksvoll", sagte Medwedjew. Es gehe um einen längeren Zeitraum. Wie hoch die Hilfe sein wird, sagte er nicht.
"Sanktionen schaffen allen Seiten Probleme"
Medwedjew warf dem Westen vor, mit Strafmaßnahmen gegen Russland die internationale Sicherheit zu gefährden. "Die Wirtschaftssanktionen gegen uns haben politische Folgen, die schlimmer sind als irgendwelche Exportbeschränkungen", sagte der frühere Staatspräsident. Die globale Sicherheitsarchitektur werde geschwächt. "Wer als erster Sanktionen einführt, sollte sich klar darüber sein, dass er im Endeffekt auch sich selbst Probleme schafft", betonte er. Russland hatte als Antwort auf Strafmaßnahmen der EU und der USA seinerseits einen Einfuhrstopp für zahlreiche westliche Lebensmittel verhängt.
Die EU hatte sich bislang offen gehalten, die Sanktionen wieder rückgängig zu machen, sofern die am Freitag begonnene Waffenruhe in der Ukraine halten sollte. Am Wochenende war aber wiederholt über Gefechte berichtet worden, unter anderem in den Städten Mariupol und Donezk. Auch in der Nacht soll es in Mariupol und weiteren Orten der Ostukraine Kämpfe gegeben haben.