NATO-Truppenabzug Warum der Afghanistan-Einsatz gescheitert ist
Der NATO-Einsatz in Afghanistan hat viele Menschenleben gefordert und Kriegskosten in Milliardenhöhe verursacht. Die Bilanz ist verheerend. Selbst die wenigen Errungenschaften im Land sind in Gefahr.
In der NATO-Schlusserklärung zum Abzug nach 20 Jahren Afghanistan-Krieg steht nur ein einziger Satz, in dem es um die Opfer geht. Er lautet: "Wir ehren die Opfer derer, die in Erfüllung ihres Dienstes den höchsten Preis gezahlt haben." Solche Sätze haben Tradition, aber sie reichen nicht mehr aus. Nicht für die Kinder der Bundeswehrsoldaten, die irgendwo am Hindukusch ihren Vater verloren haben. Nicht für die Eltern, die ohne Sohn weiter leben müssen, nicht für die Freunde der toten Soldaten und Soldatinnen.
Der Abzug ist der Zeitpunkt für eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Frage: Wofür? Allein in den Einheiten der Bundeswehr wurden 59 Soldaten beim Einsatz getötet, die Gesamtzahl bei den alliierten Truppen liegt bei über 3500 Toten.
So viele Menschenleben. Dazu Kriegskosten in Milliardenhöhe, pro Jahr. Jede Regierung, die beteiligt war, muss das erklären. Auch die Bundesregierung.
Errungenschaften gefährdet
Die Fakten dafür liegen auf dem Tisch. In den 20 Jahren ist es den internationalen Truppen nicht gelungen, das Land zu befrieden oder auch nur von den gewalttätigen Islamisten zu befreien. Die Taliban beherrschen längst wieder weite Teile Afghanistans, sie drangsalieren die Zivilbevölkerung und haben jetzt schon eine neue Angriffserie gegen die NATO-Truppen angedroht. Man will den Abzug beschleunigen.
Selbst die wenigen Errungenschaften sind in Gefahr. Dass Frauen einen Beruf ausüben können, dass Mädchen in die Schule dürfen, dass einige Medien bis jetzt noch relativ frei berichten - das alles wird von den Taliban infrage gestellt. Es passt nicht in ihr Weltbild. Kürzlich wollten sie Schülerinnen verbieten, in der Öffentlichkeit Lieder zu singen. Das lässt ahnen, wohin die Reise gehen soll.
Politische Wunschvorstellungen
Die Bilanz ist verheerend, der Einsatz im Kern gescheitert. Das mächtigste Militärbündnis der Welt war nicht in der Lage, in einem Land wie Afghanistan für Frieden zu sorgen und für ein halbwegs demokratisches Regierungssystem. Für alle, die noch dachten, mit einer militärischen Intervention von außen könnte so etwas wie ein Rechtsstaat erzwungen werden, ist das eine Enttäuschung. Und hoffentlich eine Einsicht. Der Aufbau einer Nation mit belastbaren staatlichen Strukturen muss von innen kommen - eine Militärallianz, und sei sie noch so mächtig, ist damit überfordert.
Der Afghanistan-Einsatz war mit politischen Wunschvorstellungen überfrachtet. Der Preis so vieler Menschenleben war zu hoch. Das einzugestehen, sind die Regierungen den Familien der Opfer schuldig. Und auch den Soldatinnen und Soldaten, die in künftige Einsätze geschickt werden.