Frankreichs Premier François Bayrou

Frankreichs Premier Bayrous Balanceakt

Stand: 14.01.2025 19:33 Uhr

Frankreichs neuer Premier François Bayrou hat in seiner ersten Regierungserklärung versucht, politische Partner und Opposition nicht zu verprellen. Über die umstrittene Rentenreform will er neu verhandeln.

An Frankreichs hoher Staatsschuld hätten alle Schuld - so lautete die Botschaft von Premier François Bayrou. Ebenso nüchtern wie genussvoll trug er vor, welche Regierung in den vergangenen Jahrzehnten wie viele Staatschulden angehäuft habe. Auch die Opposition habe ihren Teil zur schwindelerregenden Staatsverschuldung von rund 112 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beigetragen: "Auch alle Oppositionsparteien haben diesen fatalen Tango mitgetanzt, der uns heute an den Rand des Abgrunds geführt hat."

Keine Tabus bei "Baustelle der Rentenreform"

Nach dieser Feststellung nahm Bayrou die Nationalversammlung in die Pflicht. Angesichts eines verringerten Wachstums von in diesem Jahr nur noch 0,9 Prozent und eines Haushaltsdefizits von 5,4 Prozent, müsse Frankreich dringend sparen. Das, so der Plan der diversen Vorgängerregierungen der vergangenen Monate, sollte unter anderem mit der 2023 beschlossenen Rentenreform gelingen.

Doch genau diese Reform will die Opposition am liebsten rückgängig machen. Ihr Motto: Rentenreform abschaffen oder aussetzen.

Nach dem Krimi der vergangenen turbulenten Wochen, in denen Bayrou versuchte, Teile der Linken einzubinden, hat er heute folgende Formulierung gefunden: Er werde die "Baustelle der Rentenreform" noch einmal angehen. Es gebe keine Tabus, versprach er.

Drei Monate Verhandlungen

Dies gelte auch für das Renteneintrittsalter, das durch die Reform schrittweise von 62 auf 64 Jahre heraufgesetzt worden war. Ein neues Gremium mit Vertretern aller Seiten, in Kooperation mit Gewerkschaften und Arbeitgebern, werde drei Monaten lang hinter verschlossenen Türen tagen. Die einzige unverrückbare Forderung sei, dass die abgeänderte Reform am Ende das finanzielle Gleichgewicht einhalte.

Reicht dieses Angebot zum sozialen Dialog, um die Opposition vorerst im Zaum zu halten und ein neues Misstrauensvotum abzuwenden? Es sieht ganz danach aus. Zwar hatte das Linksbündnis NFP die Rücknahme oder Aussetzung der Rentenreform zur Bedingung dafür gemacht, auf ein erneutes Misstrauensvotum zu verzichten. Und Bayrou hatte vergeblich versucht, einen Keil zwischen die Linkspopulisten und die gemäßigteren Kräfte zu treiben.

Aber die Sozialisten haben heute angekündigt, zunächst abwarten zu wollen. Ihr Fraktionsführer Boris Vallaud erklärte nach Bayrous Rede: "Wir haben Vertrauen in den sozialen Dialog. Aber ich betone noch einmal: Unser Ziel bleibt, die Abschaffung der Rente mit 64."

Misstrauensvotum wäre gefährlich

Ein Misstrauensvotum wäre für die neue Regierung Bayrou dann gefährlich, wenn auch der rechtsradikale Rassemblement National (RN) mitstimmen würde. Doch auch der Parteisprecher des RN, Sébastien Chenu, wollte heute noch nicht zu den parlamentarischen Waffen greifen. Seine Fraktion entscheide über ein Misstrauensvotum, sobald es Taten gebe. "Bisher haben wir nur Worte gehört. Übrigens von einem Premierminister, der nicht sehr mitreißend war", setzte Chenu hinzu.

Die konservativen Republikaner wiederum reagierten reserviert, sind aber überzeugt, dass Bayrou grundsätzlich die richtige Linie einschlägt. Ihr Vertreter Olivier Marleix zeigte sich zufrieden darüber, dass der Premier den Ernst der Lage klargemacht habe. "Die Zinsen steigen. Die Märkte zweifeln an Frankreichs Fähigkeit, die Schulden zurückzuzahlen. Das ist öffentliches Geld, das wir zum Fenster rausschmeißen."

Stolperstein Haushalt

Premier Bayrou muss die Konservativen bei der Stange halten, wenn er eine Chance haben will, bis zum Sommer durchzuhalten. Stolpersteine gibt es genug. Anfang Februar muss er einen Haushaltsentwurf für das laufende Jahr vorlegen. Die Vorgängerregierung von Michel Barnier war genau daran gescheitert und schließlich über ein Misstrauensvotum von links und rechts außen gestürzt. Diesem Schicksal will und muss Bayrou entgehen. Sonst würde Frankreich auch im Jahr 2025 über Monate hinweg handlungsunfähig.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. Januar 2025 um 19:35 Uhr.