Opposition in Belarus Ein Oligarch für den Systemwechsel
Der Ex-Bankier Babariko und seine Stellvertreterin Kolesnikowa gründen eine Partei. Damit tritt in Belarus ein Magnat zurück auf den Plan, dessen Verhaftung vor der Wahl zur Mobilisierung der Opposition beitrug.
"Wir gründen eine Partei": Mit dieser gestern veröffentlichten Videobotschaft versucht in Belarus ein Magnat via YouTube sein Comeback als Akteur der Opposition. Das Video zeigt nacheinander den 56-jährigen Ex-Bankier Viktor Babariko und seine Unterstützerin Maria Kolesnikowa, die sich in seinem Namen der Oppositionsbewegung um Swetlana Tichanowskaja angeschlossen hatte. Beide werben für den Eintritt in ihre neue Partei "Gemeinsam", weil sich der dadurch professionalisierten Bewegung - in den Worten Babarikos - "Finanzierungsquellen auftun und sie einen System-Einblick und eine Möglichkeit verschafft, kontinuierlich zu arbeiten".
Man wolle eine Verfassungsreform anstoßen, an der Stärkung der belarussischen Wirtschaft arbeiten und bürgerliche Eigeninitiative ermöglichen, sagt der 56-Jährige in seiner kurzen Ansprache, die nach eigenen Angaben am 14. Juni aufgezeichnet wurde - wenige Tage vor seiner Verhaftung, die entscheidend zur Formierung der Protestbewegung beigetragen hat. Ausgerechnet ein Oligarch tritt damit nun in Belarus für den Systemwechsel ein - wenn auch unklar ist, inwieweit er selbst aus der Haft etwas bewirken kann. Immerhin: Seine persönliche Assistentin Elena Karagatschewa wurde gestern aus der Untersuchungshaft entlassen.
Als Bankier und Stifter bekannt
Babariko war jahrzehntelang Vorstandsvorsitzender von Belgazprombank, der belarussischen Banken-Tochter des russischen Gazprom-Konzerns. Im Mai hatte er seinen Posten abgegeben, um bei der Präsidentschaftswahl zu kandidieren - und gewann Online-Umfragen zufolge rasch an Rückhalt, da er in Belarus auch als Stifter und gesellschaftliche Kraft bekannt ist: Er ist etwa Mitgründer der Kinderhilfsorganisation "Chance" und verlegte eine Sonderedition von Werken der belarussischen Literaturnobelpreisträgerin und Systemkritikerin Swetlana Alexejewitsch, die sich denn auch wohlwollend über seine Kandidatur äußerte.
Viktor Babarikos Präsidentschaftskandidatur wäre laut Beobachtern aussichtsreich gewesen: Er genießt breite Unterstützung, wie Demonstranten in Minsk Mitte August zeigen.
Während der Corona-Pandemie, in der Belarus’ staatliche Gesundheitsbehörden so gut wie gar nicht agierten und Präsident Alexander Lukaschenko auf Leugnen setzte, sammelte Babarikos Sohn Eduard über die von ihm gegründete Spendenplattform "MolaMola" Geld zur Bekämpfung des Coronavirus.
Eine offenbar missliebige Hilfsaktion: Als Belgazprombank am 11. Juni einseitig den Vertrag über die Abwicklung von "MolaMola" kündigte, durchsuchte der staatliche Sicherheitsapparat die Bank. Eine Woche später wurden Viktor und Eduard Babariko festgenommen. Seitdem sitzen Vater und Sohn in Haft, beiden wird massive Steuerhinterziehung und Geldwäsche vorgeworfen: Angeblich habe Belgazprombank über die Jahre den Wert von 430 Millionen US-Dollar in den EU-Staat Lettland transferiert - und nationale Sicherheitsinteressen gefährdet. Während die Muttergesellschaft Gazprom sich distanzierte und der neuen Geschäftsführung von Belgazprombank unterstellte, "durch rechtswidrige Handlungen" ins Amt gekommen zu sein, sprach Babariko von einer "feindlichen Übernahme durch den Staat".
Zusammenarbeit mit Koordinierungsrat
Trotz seiner Haft bekam er als Präsidentschaftskandidat ein Vielfaches der nötigen 100.000 Unterstützerunterschriften für die Wahlregistrierung zusammen. Mit Verweis auf den laufenden Prozess verweigerte die Zentrale Wahlkommission ihm jedoch die Zulassung.
An seine Stelle trat seine Freundin und Unterstützerin Maria Kolesnikowa, die sich bald der zugelassenen Oppositionskandidatin Tichanowskaja anschloss.
Die Babariko-Vertreterin Kolesnikowa (rechts außen im Bild) suchte früh den Schulterschluss zu Kandidatin Tichanowskaja. An der Unterstützung hat sich nichts geändert.
Auch hinter der jetzigen Parteigründung steckt laut Babariko und Kolesnikowa keine Konkurrenz zu ihr, die sich im Gegensatz zu beiden mittlerweile im litauischen Exil befindet. Die Partei sollen den Koordinierungsrat, der die Funktion einer Bürger-Dialogplattform habe, nicht stören, heißt es auf Babarikos Webseite in einer Stellungnahme: "Nicht ein Belarusse zweifelt am Sieg Swetlana Tichanowskajas und daran, dass ihr der Sieg gestohlen wurde". Man werde die Forderungen der Protestbewegung nach einem Systemwandel umsetzen und siegen - "gemeinsam".