Ein verbrannter Wald in Griechenland.

Europäische Union Was wird jetzt aus dem Klimaschutz?

Stand: 28.12.2024 19:14 Uhr

Die EU hat sich ehrgeizige Klimaschutz-Ziele gesteckt. Doch die schlechte Wirtschaftslage und das Ergebnis der Europawahl machen es schwer, sie durchzusetzen. Gilt der Green Deal überhaupt noch?

2024 war nach Auffassung der Klimaforschenden das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und das erste, in dem die weltweite Durchschnittstemperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit um mehr als 1,5 Grad gestiegen ist.

Eigentlich wollte die Weltgemeinschaft die Erderwärmung auf diesen Wert begrenzen. Dazu hatte sie sich 2015 in der Klimavereinbarung von Paris verpflichtet. Die fürchterlichen Folgen des Klimawandels zeigten sich etwa Ende Oktober in der Region Valencia im Osten Spaniens. Bei Überschwemmungen nach starken Regenfällen kamen 230 Menschen ums Leben.

Aber bei der Europawahl Anfang Juni haben Wählerinnen und Wähler jene Parteien gestärkt, die den Green Deal, also das Vorhaben, Europas Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig umzubauen, kritisch sehen oder sogar ablehnen.

Klimagesetze gelten schon

Die EU hat in den vergangenen Jahren Gesetze beschlossen, um Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu machen, dass also nicht mehr klimaschädliche Gase ausgestoßen werden, als durch Aufforstung oder CO2-Speicherung eingespart werden.

Diese Regelungen sind inzwischen in Kraft: Die EU hat den Emissionshandel erweitert und verschärft, indem sie kostenlose AusstoßgGutschriften schrittweise abschafft. Sie will noch stärker auf Energie aus Sonne, Wind und Wasser setzen und dafür sorgen, dass Gebäude besser gedämmt werden. Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern sollen eine Importabgabe zahlen, wenn sie bei der Produktion weniger auf den Klimaschutz achten als europäische Firmen.

Jetzt bereitet die EU die nächste Etappe vor: Bis 2040 will sie 90 Prozent weniger Klimagase ausstoßen als 1990. Aber ausgerechnet Polen, das bis Juli die EU-Ratspräsidentschaft innehat und deshalb maßgeblich dafür verantwortlich ist, unter den Mitgliedstaaten zu vermitteln, lehnt dieses Ziel ab.

Christdemokraten blockieren und schwächen ab

Und die größte Fraktion im EU-Parlament will mehr Rücksicht auf die Wirtschaft nehmen. Die christdemokratische EVP, in der auch die Europaabgeordneten von CDU und CSU sitzen, ist klare Gewinnerin der Europawahl.

Ihr Umweltexperte Peter Liese beklagt, dass die EU in der abgelaufenen Wahlperiode zu viele Gesetze verabschiedet und zu sehr auf Regeln und Verbote gesetzt habe. "Dabei haben wir die Möglichkeiten der Wirtschaft, insbesondere der Industrie und Landwirtschaft, aber auch die Möglichkeiten der Menschen nicht ausreichend gesehen."

Die EVP hat in den vergangenen Monaten im EU-Parlament Klima- und Umweltgesetze blockiert oder abgeschwächt. Auf ihren Druck und nach massiven Bauernprotesten hat die EU Auflagen für die Landwirtschaft gelockert und das Vorhaben gestoppt, den Einsatz von Ackergiften drastisch einzuschränken.

Was wird aus dem Green Deal?

Die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen hatte in ihrer ersten Amtszeit als EU-Kommissionschefin Klimaschutz zu ihrem Hauptanliegen gemacht und den Green Deal mit der Mondlandung verglichen. Mit Blick auf ihr zweites Mandat erklärte sie: "Wir müssen und werden an den Zielen des Green Deal festhalten. Aber wenn wir bei diesem Übergang erfolgreich sein wollen, müssen wir beweglicher sein und die Menschen und Unternehmen auf dem Weg dorthin besser begleiten."

Im kommenden Vierteljahr will von der Leyen einen "Clean Deal" für die Industrie vorstellen, um deren Wettbewerbsfähigkeit beim nachhaltigen Wandel zu sichern. Die Kommission verweist darauf, dass die EU ihre Emissionen in den vergangenen drei Jahrzehnten um ein Drittel gesenkt hat, während die Wirtschaft im gleichen Zeitraum um zwei Drittel gewachsen ist.

Die besonders für Deutschland wichtige Automobilindustrie mit Millionen Arbeitsplätzen bei Herstellern und Zulieferern wird Chefinnensache: Einen strategischen Dialog zur Zukunft der Branche will von der Leyen selbst leiten.

Verbrennungsmotor doch mit Zukunft?

Die EVP möchte die angeschlagene Autoindustrie bevorzugt behandeln und den Konzernen Strafen ersparen, wenn sie Klimaziele verfehlen. Bundeskanzler Olaf Scholz schloss sich dieser Forderung beim EU-Gipfel im Dezember an; seiner Ansicht nach soll die EU-Kommission dafür Wege finden. 

2025 sinken die Flottengrenzwerte, die bestimmen, wie viel Kohlendioxid Neuwagen durchschnittlich höchstens ausstoßen dürfen.

Europas Christdemokraten rütteln außerdem grundsätzlich am beschlossenen faktischen Aus für Verbrennungsmotoren bei neuen Fahrzeugen ab 2035. Sie setzen darauf, dass alternative Kraftstoffe klimaneutrales Fahren mit Verbrennungsmotoren ermöglichen. Der CDU-Europaabgeordnete Liese betont: "Es muss angesichts der neuen Mehrheiten und angesichts der Probleme, die wir haben, auch ein Nachsteuern geben."

Die Europa-Grünen halten das für einen Irrweg, der Hersteller verunsichere. Ihr klimapolitischer Sprecher Michael Bloss befürchtet: "Die EVP stößt damit den Dominostein an, der am Ende den gesamten Green Deal zu Fall bringen kann."

Auch die Debatte darüber, woher das Geld für Europas grünen Wandel kommen soll, wird weitergehen. Dafür braucht es Schätzungen zufolge jährlich Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe. Der Plan, dafür wie in der Corona-Pandemie gemeinsame Schulden aufzunehmen, bleibt heftig umstritten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Dezember 2024 um 07:15 Uhr.