Eine Frau sitzt im Wohnzimmer auf dem Sofa und sieht sich die Netflix-Doku-Serie "Duke and Duchess of Sussex" an.

Geoblocking auf Prüfstand Streamen im EU-Ausland soll komfortabler werden

Stand: 27.08.2024 16:40 Uhr

"Dieser Inhalt ist in Ihrem Land nicht verfügbar" - ein Hinweis, der viele Menschen beim Streamen von Filmen und Serien im Ausland nervt. Das EU-Parlament will deshalb die Regeln zum Geoblocking überprüfen lassen.

Die Geoblocking-Verordnung hat im Jahr 2018 viele Grenzen im Internet eingerissen, jedoch nicht alle. Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher in einem anderen EU-Land online shoppen gehen wollen, dürfen sie grundsätzlich auf Waren und Dienstleistungen zu denselben Preisen und Konditionen zugreifen, wie sie Kunden auch vor Ort angeboten werden. Händler sind aber nicht verpflichtet, ihre Waren auch grenzüberschreitend zuzustellen. 

Mehr als fünf Jahre nach Einführung der Verordnung zog das EU-Parlament im vergangenen Dezember eine gemischte Bilanz, wie gut die Geoblocking-Verordnung umgesetzt wird. Demnach bestehen viele Beschränkungen in der Praxis einfach weiter. So gebe es Lieferbeschränkungen bei mehr als der Hälfte der Einkaufsvorgänge. Probleme bei der Online-Registrierung und bei Online-Zahlungsmethoden stünden dem Ziel der Verordnung im Weg, zu den gleichen Bedingungen wie ortsansässige Personen einzukaufen. 

Probleme beim Abrufen audiovisueller Inhalte

Vor allem werde aber den Erwartungen der Kunden an die Nutzung audiovisueller Dienste nicht entsprochen. Ein Ärgernis, auf das auch Verbraucherschützer hinweisen und deswegen Nachbesserungen fordern.

"Wir leben in einer gemeinsamem Europäischen Union in einem gemeinsamen Binnenmarkt", sagt die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. "Dazu gehört für mich auch, dass Menschen überall in der Union den gleichen Zugriff auf Filme und Sportevents haben, die sie sich anschauen wollen."

Seit 2018 können zwar Verbraucher von kostenpflichtigen Streaming-Diensten theoretisch in allen EU-Mitgliedsländern auf die Inhalte ihres deutschen Abos zugreifen. Zumindest bei vorübergehenden Aufenthalten im EU-Ausland dürfen sie nicht mehr blockiert werden. Möglich wurde das durch die sogenannte Portabilitätsverordnung.

Bestimmte Inhalte noch immer gesperrt

Doch Dienste, die sich vollständig aus Werbung finanzieren, oder die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender müssen ihre Angebote nicht zwangsläufig EU-weit freigeben. Auch können Streaming-Inhalte aus urheberrechtlichen Gründen gesperrt werden, wenn die Anbieter von den Rechteinhabern keine Lizenz für das Ausland erworben haben. Das ist der Grund, warum manche Mediathek im EU-Ausland schwarz bleibt.

Die EU-Kommission soll turnusgemäß im kommenden Jahr die Geoblocking-Verordnung auf den Prüfstand stellen. Die EU-Abgeordneten erhoffen sich dabei verbraucherfreundlichere Lösungen. So geht es darum, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den Erwartungen der Nutzer entsprechen. 

"Natürlich brauchen wir ein Modell, das nicht dazu führt, dass Kultur- und Filmschaffende pleitegehen oder ihre Angebote nicht mehr entwickeln können", sagt die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Die EU-Kommission soll deshalb Modelle aufzeigen, die beide Ziele vereinbaren. Das jedoch gestaltet sich in der Praxis schwierig.

Viele Filme durch Lizenzen finanziert

Vor allem die Kreativwirtschaft warnt vor einer Auflösung des Geoblockings. "Wir haben aus Sicht der Filmwirtschaft großes Interesse daran, dass weiterhin die Ausspielung deutscher Produktionen in Europa zur Finanzierung des Films auch beitragen kann und das wäre ohne Geoblocking ein sehr schwieriges Unterfangen", sagt der Vize-Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, Björn Böhning.

Die Mehrzahl der Filme könne erst durch die exklusive territoriale Lizenzierung finanziert werden, argumentiert der Verband. Die Filme kämen nur dann in die Gewinnzone, wenn sie in mehr als zehn EU-Mitgliedstaaten vermarktet werden können. Böhning spricht sich für pragmatische Lösungen aus: "Auslandsreisen - ja, da soll man sein komplettes deutsches Package sehen können. Eine komplette Liberalisierung, eine Abschaffung des Geoblockings, würde der Kreativwirtschaft aber sehr schaden." 

Theoretisch wäre auch die Einführung einer europäischen Lizenz denkbar. Sie könnte jedoch so teuer werden, dass sie sich etwa kleine EU-Länder nicht leisten können, befürchtet Böhning. Wenn die Geoblocking-Verordnung in Zukunft reformiert werden sollte, dürfte es also entscheidend um zusätzliche Finanzierungsquellen für die Kreativwirtschaft gehen.

Paul Vorreiter, ARD Brüssel, tagesschau, 27.08.2024 12:30 Uhr

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 27. August 2024 um 11:52 Uhr im Deutschlandfunk.