Entscheidung der EU-Kommission Grüner Stempel für Atom und Gas
Die EU-Kommission hat Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich eingestuft. Während manche EU-Länder das begrüßen, kündigten Österreich und Luxemburg Klagen an.
"EU-Taxonomie - Europas nachhaltige Investitionen beschleunigen!": So stand es heute in großen Lettern im Pressesaal der Brüsseler EU-Kommission. Denn das ist ja das erklärte Ziel der Europäischen Union: Bis zur Jahrhundertmitte will man die Klimaneutralität erreichen und die Energieversorgung CO2-frei sicherstellen.
Das verlangt einen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft und - so schätzen Experten - jährliche Investitionen in Höhe von rund 350 Milliarden Euro. Geld, das irgendwo herkommen muss, auch von privaten Anlegern. Deshalb die sogenannte Taxonomie: Eine Orientierungshilfe für Geldanleger, die zeigen soll, ob ihre Investitionen tatsächlich nachhaltig und klimafreundlich sind. Etwa beim Erwerb von Anteilen an einem Aktienfonds. Wenn ein solcher das Taxonomie-Label der EU bekommt, dann gilt er als grünes Investment, weil das Geld beispielsweise in Wind- und Solarkraftwerke fließt.
Nur für Übergangszeit und unter Auflagen
Doch nun will die EU-Kommission auch Investitionen in neue Atomreaktoren oder Gaskraftwerke den grünen Stempel geben. Das ist seit heute offiziell. EU-Kommissarin Mairead McGuinness sagte, damit werde sichergestellt, dass die Stromerzeugung aus Kernkraft und Gas den schwierigen Übergang zur Klimaneutralität unterstützen könne. Allerdings, betonte McGuinness, nur für einen Übergangszeitraum und unter Auflagen. Es würden strikte Bedingungen gelten, auch mit Blick auf die Zeiträume.
So sollen nur neue Atomreaktoren unter die Taxonomie fallen, deren Baugenehmigung bis spätestens 2045 erfolgt, bis 2050 müsse die Atommüll-Entsorgung sicher geklärt sein. Betreiber von Gaskraftwerken müssen bis 2035 von Erdgas auf eine CO2-ärmere Stromerzeugung umstellen.
Doch trotz dieser Bedingungen gibt es an dieser Taxonomie viel Kritik: "Ich glaube, dass das der Glaubwürdigkeit des GreenDeals schon in der Öffentlichkeit auch schadet", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Guntram Wolff vom Brüsseler Think-Tank Bruegel. Es bestehe durchaus das Risiko, dass Investitionen fehlgelenkt würden.
Österreich will klagen
Solche Bedenken kommen auch aus einigen EU-Mitgliedsstaaten, beispielsweise aus Österreich: Nach der EU-Entscheidung erklärte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), Österreich bereite rechtliche Schritte gegen die Einstufung von Gas und Atomkraft als klimafreundliche Investitionen vor. Die Ministerin kündigte eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof an. Luxemburg werde sich der österreichischen Initiative anschließen. Die Taxonomie-Entscheidung der EU-Kommission sei ein "Greenwashing-Programm für Atomenergie und fossiles Erdgas", sagte sie. Atomkraft sei im Gegensatz zu erneuerbaren Energien veraltet und zu teuer, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Andere EU-Staaten wie Dänemark und Schweden betrachten den grünen Stempel für Gaskraftwerke mit großer Skepsis. Aus Frankreich oder aus Osteuropa dagegen kommt Unterstützung. Vor allem Frankreichs Präsident Macron, der sich derzeit im Wahlkampf befindet, hatte immer wieder klargestellt, dass die Klimaneutralität ohne Atomkraft nicht zu erreichen sei. So sieht man es auch in Polen oder in Ungarn. Deshalb rechnet niemand damit, dass die EU-Mitgliedsländer die Taxonomie der Kommission am Ende blockieren.
Kritik auch vom EU-Parlament
Kritik an dem Vorhaben übt auch das EU-Parlament. Viele Abgeordnete befürchten, dass die Taxonomie künftig nicht nur ein Orientierungsmaßstab für private Investitionen sein soll, sondern auch dafür, wie die EU ihr öffentliches Geld ausgibt. Das sei eine der möglichen Konsequenzen, sagt der niederländische EU-Parlamentarier von den Grünen, Bas Eickhout, und spricht von einem historischen Fehler.
In Brüssel halten es manche für möglich, dass die Taxonomie-Pläne am Ende vom EU-Parlament blockiert werden, denn Kritik daran kommt auch aus der christdemokratischen EVP-Fraktion. Sicher ist das nicht, aber im nächsten halben Jahr wird es sich entscheiden.