Nach Ausschreitungen Frankreich ringt um Plan gegen Ursachen der Gewalt
Die Unruhen in Frankreich sind in der Nacht weiter abgeflaut. Die Regierung pocht darauf, nun die Ordnung wieder herzustellen. Doch ein Konzept, die Ursachen der Krawalle langfristig zu bekämpfen, hat sie offenbar nicht.
"Polizisten und Feuerwehrleute: Danke für ihren außerordentlichen Einsatz in den letzten Nächten", twitterte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in der Nacht. Zuvor hatte er überraschend eine Polizeistation in Paris und die Polizeipräfektur besucht.
Die Botschaft, die Macron und auch die französische Regierung aussenden wollten, scheint klar: Ihre Priorität liegt darauf, wieder Ordnung herzustellen und den Sicherheitskräften ihre Unterstützung zuzusichern. Ähnlich hatte es auch Regierungschefin Elisabeth Borne am Montag formuliert: Heute sei der Zeitpunkt, an dem die Ordnung zurückkehre.
Borne: Müssen die Sicherheit garantieren
Borne verkündete gestern bei einem Treffen mit Vertretern aller politischen Gruppen, die in der Nationalversammlung sitzen, nicht nur eine Rückkehr zur Ordnung, sondern auch, die jugendlichen Randalierer entschlossen zu bestrafen. Es sei ein umfassender Austausch gewesen, erklärte Borne. Man habe zum Beispiel über Quartierspolitik, Bildung, die Verantwortung der Eltern und der sozialen Medien diskutiert.
Auf die Frage, was jetzt zuerst zu tun sei, hatte die Regierungschefin aber eine klare Antwort: "Wir müssen wieder Sicherheit garantieren: für die Menschen, für gewählte Politiker, Händler und Handwerker. Die Zeit des Nachdenkens und des Austausches wird weitergehen. Es wird noch mehr Treffen mit den Parlamentsvertretern geben."
Grüne pochen auf Reformen bei der Polizei
Anders als Borne es betont hatte, sind sich die Parlamentsvertreter über diese Prioritätenliste aber nicht einig. Vertreter der französischen Grünen zum Beispiel warfen der Regierung nach dem Treffen vor, die Lage aussitzen zu wollen und keine Vision für langfristige Lösungen zu haben. "Wir brauchen eine Polizei, die beschützt und für Sicherheit sorgt. Aber in der Republik müssen wir das Recht haben, hohe Ansprüche an die Polizei zu stellen", forderte zum Beispiel der Grüne Senator Guillaume Contard.
Er drängt auf eine Reform. "Wir müssen den Mut haben, die Probleme bei der Polizei offenzulegen." Seine Partei erwarte diesen Mut auch von der Regierung. "Ich würde mir wünschen, dass die Premierministerin einen 'Großen Plan' für die Polizei ausarbeitet - auch, damit es wieder mehr Vertrauen zwischen den Bürgern und der Polizei gibt."
"Wir brauchen einen starken Staat"
In den Gemeinden, die von den Unruhen betroffen sind, wünschen sich allerdings viele genau die "Rückkehr zur Ordnung", die auch die Premierministerin Borne forderte. In diesem Sinne hatte sich gestern David Lisnard geäußert. Der Bürgermeister von Cannes gehört den Konservativen Les Républicains an. Er ist Vorsitzender der Vereinigung der französischen Bürgermeister. "Die Forderungen nach Ordnung, Gerechtigkeit und Freiheit werden von allen geteilt - außer von den Kriminellen, und die sind eine Minderheit", erklärte er.
Das Wichtigste für die kommenden zehn Jahre sei aus seiner Sicht, das öffentliche Bildungswesen wieder stark zu machen. "Wir brauchen einen starken Staat. Wir müssen die Immigration in den Griff bekommen: weniger Menschen, aber mehr und bessere Integration. Weniger Bürokratie und bessere Dienstleistungen." Zum jetzigen Zeitpunkt müsse der Staat zeigen, dass er den Kriminellen nicht nachgibt.
Es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit
Ab dem Mittag wird Präsident Macron im Élysée-Palast rund 220 Bürgermeister der Gemeinden empfangen, die am stärksten von den Ausschreitungen betroffen waren. Aber auch, wenn viele Forderungen sehr deutlich formuliert werden: Man spürt eine gewisse Ratlosigkeit, was den Umgang mit den Unruhen betrifft - und welche Lehren Frankreich mittel- und langfristig daraus ziehen muss.