Prozess im französischen Avigon Tausende protestieren gegen Gewalt gegen Frauen
Der Prozess um die hundertfache Vergewaltigung von Gisèle Pélicot hat in Frankreich eine Schockwelle ausgelöst. Tausende Menschen haben in dem Land gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen demonstriert - sie fordern eine Gesetzesänderung.
Tausende Menschen haben gestern in Frankreich bei landesweiten Demonstrationen gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen demonstriert. Die Gewerkschaft CGT sprach von 100.000 Teilnehmern bei den Kundgebungen am Samstag, darunter 80.000 in Paris. Die Polizei schätze die Zahl der landesweiten Demonstranten auf 20.000, wie der Sender France Info berichtete.
Die Proteste fanden in zahlreichen Städten Frankreichs statt - darunter viele Frauen, aber auch Männer. Mehr als 400 Organisationen und Persönlichkeiten hatten zu Protesten unter anderem in Paris, Bordeaux, Marseille und Lille aufgerufen.
"Nein heißt Nein"
In Paris bewegte sich der Protestzug am Nachmittag vom Gare du Nord in Richtung Bastille. "Alle zwei Minuten eine Metro, alle sieben Minuten eine Vergewaltigung", war auf einem Transparent zu lesen. "Je mehr wir sind, desto sichtbarer werden wir", sagte die Lokalpolitikerin Peggy Plou der Nachrichtenagentur AFP in Paris. "Das geht alle etwas an, nicht nur die Frauen".
Es müsse ganz schnell ein Gesetz eingeführt werden, sagte eine Teilnehmerin. "Nur weil man nichts sagt, heißt das nicht, dass man einverstanden ist". "Brechen wir das Schweigen, die Scham muss die Seite wechseln" oder "Nein heißt Nein" war auf Schildern der Teilnehmer zu lesen.
Eine Demonstrantin hält in Paris ein Plakat hoch - mit der Aufschrift: "An all die Leben, die wir hätten leben können, wenn wir nicht vergewaltigt worden wären"
Prozess in Avignon geht bald zu Ende
"Wir haben alle eine Rolle, insbesondere die Männer", sagte ein Demonstrant in Marseille. "Wir sind die Quelle des Problems und auch die Quelle der Lösungen". "Im Jahr 2018 waren wir fast nur Frauen. Heute sind es (...) 30 Prozent Männer. Das ist wirklich eine sehr gute Nachricht" sagte die Aktivistin Amy Bah von #Noustoutes.
Die Proteste fanden vor dem Hintergrund des Prozesses um die hundertfache Vergewaltigung von Gisèle Pélicot in Südfrankreich statt, der in diesen Tagen zu Ende gehen soll. Hauptangeklagter ist Dominique Pélicot, der laut Anklage seine damalige Frau Gisèle Pélicot fast zehn Jahre lang mit Medikamenten betäubt, missbraucht und anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten hat. Er gestand vor Gericht. Neben ihm sind 50 weitere Männer angeklagt. Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft.
Neues umfassendes Rahmengesetz
Der Prozess in Avignon hat in Frankreich eine Schockwelle ausgelöst - mit dem Ruf nach einem besseren Schutz von Frauen. Der Fall hat zudem die Debatte um "Ja heißt Ja" wieder aufflammen lassen. Aktivistinnen und Aktivisten fordern seit Langem, dass in sexuelle Handlungen ausdrücklich eingewilligt werden müsse und dass dies im Strafrecht festgeschrieben werden solle. Dann könnten mutmaßliche Täter sich vor Gericht nicht damit herausreden, von der fehlenden Einwilligung nicht gewusst zu haben.
Die Organisatoren der Proteste fordern, die aktuelle "zerstückelte und unvollständige" Gesetzgebung durch ein neues "umfassendes Rahmengesetz" zu ersetzen sowie ein Gesamtbudget von 2,6 Milliarden Euro für den Kampf gegen Gewalt an Frauen. Die großen Gewerkschaften CGT und die CFDT schlossen sich dem Aufruf an. Die Regierungen der vergangenen Jahre hätten zahlreiche Versprechen gegeben - die Mittel seien jedoch "lächerlich gering und nehmen weiter ab", kritisierten sie.
Barnier: Anzeige in Krankenhäusern und mehr Hilfen für Opfer
Gleichstellungsministerin Salima Saa hatte zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen "konkrete und effektive" Maßnahmen angekündigt. Laut der Zeitung "La Tribune Dimanche" will Premierminister Michel Barnier es künftig ermöglichen, in allen Krankenhäusern Anzeige erstatten zu können. Zudem kündigte er eine verstärkte Schulung für Polizisten und eine Erhöhung der Hilfen für Opfer häuslicher Gewalt an, die ihr Zuhause verlassen.
Die französische Nationalversammlung beschäftigt sich derzeit mit einem entsprechenden Vorschlag zur Gesetzesänderung mit Blick auf die Definition sexueller Gewalt.
Plädoyer der Staatsanwaltschaft in Avigon
Morgen sind nach Gewerkschaftsangaben neue Demonstrationen in Avignon geplant. Die Gewerkschaft wertete die Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen als Zeichen, dass sexuelle Gewalt gegen Frauen endlich verstärkt ins öffentliche Bewusstsein rücke. Diese reiche von sexueller Belästigung bis hin zu Femiziden.
Ebenfalls morgen beginnt das Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Es soll bis Mittwoch dauern. Es wird damit gerechnet, dass die Staatsanwaltschaft hohe Haftstrafen für Dominique Pélicot fordert.