Griechische Grenzbeamte an der Grenze zur Türkei

Wegen deutscher Kontrollen Griechenland verstärkt Grenzschutz

Stand: 18.09.2024 15:15 Uhr

Die deutschen Grenzkontrollen sorgen in Griechenland für Kritik. Als Reaktion will das Land die Grenze zur Türkei noch schärfer kontrollieren. Denn man befürchtet einen Dominoeffekt von Nord nach Süd.

Von Moritz Pompl, ARD Athen

Lange war es ruhig in der Evros-Region im Nordosten Griechenlands, dort, wo die Regierung an der Grenze zur Türkei den Bau eines Zauns vorantreibt.

Aber jetzt - nachdem Deutschland die Grenzkontrollen ausweitet - ist in Griechenland der Minister für Zivilschutz an den Zaun gereist. Michalis Chrysochoidis kündigt schärfere Kontrollen an, auch wenn hier aktuell nur wenige Migranten ihr Glück versuchen, wie auch der Minister feststellt.

"Wir sind alle hier, um unsere Grenzen zu schützen." Die griechische Polizei und die Streitkräfte garantierten die Sicherheit des Landes. "Der Evros ist gepanzert. Der Zaun wird weitergebaut", erklärt Chrysochoidis. "Und im Hinterland rekrutieren wir 150 weitere Grenzschutzbeamte, um alle noch existierenden Grenzübergänge zu kontrollieren. Es kommen kaum Migranten rüber."

Furcht vor Dominoeffekt von Nord nach Süd

Trotzdem sieht die griechische Regierung jetzt nach der deutschen Ankündigung plötzlich wieder die Notwendigkeit, auf das "Problem Migration" aufmerksam zu machen. Man fürchtet einen Dominoeffekt von Nord nach Süd: Wenn andere Mitgliedstaaten mit Zurückweisungen an der Grenze nachziehen, könnte das Griechenland in eine schwierige Lage bringen - als letzter in der Kette, an der EU-Außengrenze.

Nur aufgrund der Lage könne sein Land keine unverhältnismäßig große Last tragen, machte Premier Kyriakos Mitsotakis letzte Woche in Wien bei einer Art Krisentreffen mit Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer klar. 

"Griechenland tut schon mehr als genug"

Griechenland, glaubt Mitsotakis, tut schon mehr als genug in Sachen Migration: etwa mit den großen Aufnahmelagern, die auf mehreren Inseln gebaut werden oder bereits fertiggestellt sind. Sie sind von der EU mit mehreren hundert Millionen Euro finanziert worden. In diesen sogenannten "Closed Controlled Access Centers" sollen nach dem Wunsch der EU schnelle Asylverfahren stattfinden - um Migranten rasch in sichere Drittstaaten zurückzuführen oder auf andere EU-Länder zu verteilen.

Mitsotakis sagt: "Ich möchte betonen, dass es ein komplizierter und teurer Prozess ist, diese Aufnahmezentren auf den Inseln einzurichten. Und ich möchte auch betonen, dass die finanziellen Ressourcen der EU, die für die nächsten Jahre dafür vorgesehen sind, vielleicht nicht ausreichen werden, damit wir die Aufgaben erfüllen."

Mitsotakis hat auch die Forderung wiederholt, dass sich die EU finanziell am Grenzzaun zur Türkei beteiligen soll. Griechenland hat den Bau des fünf Meter hohen Walls bisher auf eigene Kosten vorangetrieben, von der EU stillschweigend akzeptiert. Rund einhundert Kilometer fehlen noch - die will Griechenland notfalls auch alleine fertigstellen. Aber: Es sei nur fair, dass das gerecht verteilt wird, so der griechische Premier.

"Deutschland als Pufferzone für Flüchtlinge verwendet"

Dass Griechenlands Regierung die eigenen Leistungen in der Migrationspolitik unterstreicht, hat auch mit einem Makel an anderer Stelle zu tun, glaubt Lefteris Papayiannakis vom Griechischen Flüchtlingsrat: "Griechenland ist deshalb besorgt, weil es nicht nach den Regeln spielt. Es hat Deutschland bislang als Pufferzone für Flüchtlinge verwendet."

Viele Geflüchtete, die in Griechenland bereits Asyl erhalten haben, reisen nach Deutschland weiter. Und stellen dort erneut einen Antrag - laut Bundespolizei immerhin 7.000 Personen im ersten Halbjahr 2024. Rückführungen hat es jahrelang nicht gegeben, weil deutsche Gerichte die Situation in Griechenland als menschenunwürdig erachtet haben.

Schnelle Weiterreise gewünscht

Inzwischen sind vereinzelte Rückführungen aber wieder möglich, und Athen fürchtet, dies könne in größerem Stil passieren. Griechenlands Migrationsminister Nikolaus Panagiotopoulos sagte am Rande eines Treffens mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Solche Rücksendungen sind schwierig. Es stellt sich auch die Frage, ob deutsche Gerichte die Rückführungen aus den bekannten Gründen nicht wieder verbieten. Deshalb haben wir noch einen langen Weg vor uns."

Das Problem sehe die griechische Regierung nicht in den eigenen Versäumnissen bei der Sozialpolitik, sagt Papayiannakis vom Flüchtlingsrat. Stattdessen spielt Mitsotakis den Ball an Deutschland zurück: "Deutschland hat eine, ich würde mal sagen, äußert tolerante und großzügige Sozialpolitik gegenüber Einwanderern. Deswegen wollen viele dorthin", so Mitsotakis.

Konsequent in diesem Sinne ist auch eine Aussage des griechischen Migrationsministers, veröffentlicht auf der Homepage seines Ministeriums. Er verspricht schnellere Asylverfahren in Griechenland, damit Migranten danach schnell in andere EU-Länder weiterreisen können - an ihr "endgültiges Ziel".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. September 2024 um 05:19 Uhr.