Rishi Sunak im Kreise konservativer Abgeordneter in der konstituierenden Sitzung des britischen Unterhauses

Britisches Parlament nach Wahl Die Opposition wetzt schon die Messer

Stand: 17.07.2024 20:32 Uhr

Drei Wochen nach Labours Sieg bei den britischen Unterhauswahlen eröffnet König Charles III. die neue Sitzungsperiode des Parlaments. Kaum geht die politische Arbeit los, melden sich die Tories aus der Opposition.

Parlamentseröffnungen in Großbritannien beginnen wie im Märchen: König Charles III. und seine Frau, Königin Camilla, fahren in einer goldenen Kutsche vom Buckingham Palast nach Westminster. Dort schlüpft der König in seinen purpurnen Mantel, setzt die Reichskrone mit tausenden Diamanten auf und nimmt auf einem Thron Platz vor Hunderten Gästen in langen Roben und weißen Perücken. Pomp und Tradition gehören zum notwendigen Rahmenprogramm, wenn ein neues Parlament die Arbeit aufnimmt - aber eben nur in der Nebenrolle. Denn eigentlich geht es um harte Politik.

In der "King’s Speech" stellt der Monarch als britisches Staatsoberhaupt das von der neuen Regierung verfasste Programm für die nächste Sitzungsperiode vor. Und diesmal wurden die Gesetzesinitiativen mit besonders viel Spannung erwartet. Denn nach 14 Jahren konservativer Regierung will die Labour-Partei viele Probleme angehen: das langsame Wirtschaftswachstum, das marode Gesundheitssystem, die kaputte Infrastruktur und die Wohnungsnot, um nur ein paar zu nennen.

"Modernisieren" statt abschaffen

König Charles verkündete ein ungewohnt dickes Paket von 40 Gesetzesplänen. Im Fokus standen dabei wie erwartet Wirtschaftswachstum und bessere Lebensbedingungen. Labour will unter anderem die Handelsbeziehungen zur EU verbessern und Investitionen europäischer Partner ankurbeln. Das Planungsrecht soll entschlackt werden, damit schneller gebaut werden kann. Der teure und von Verspätungen geplagte Schienenverkehr soll verstaatlicht werden.

Zudem will Labour ein nationales Energieunternehmen gründen, um die Rechnungen für Verbraucher günstiger zu machen. Arbeiter und Mieter sollen mehr Rechte erhalten, ebenso wie Bürgermeister, damit sie in ihren Kommunen schneller Veränderungen voranbringen können.

Aus konservativen Kreisen wird umgehend die "Rückkehr des starken Staates" kritisiert, während das linke politische Spektrum das Ende von 14 Jahren Sparkurs und Marktgläubigkeit bejubelt. Dabei weist das Labour-Regierungsprogramm an relevanten Stellen Unschärfen auf: So fehlt unter anderem ein klares Bekenntnis zu den Verteidigungsausgaben. Labour will zwar grundsätzlich die Ausgaben auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen, allerdings ohne zu sagen, bis wann.

Ein Gesetzesvorhaben mit konkreten Auflagen für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz war zwar erwartet worden, fehlt aber ebenfalls, genauso wie ein klarer Hinweis, wann das Wahlalter auf 16 abgesenkt werden soll. Und hatte Keir Starmer 2022 noch angekündigt, das House of Lords abzuschaffen, heißt es nun, man wolle es "modernisieren".

Nun muss Labour liefern

Die Scottish Nationalist Party kritisierte, dass Pläne fehlen, wie Labour die durch den Brexit entstandenen Schäden wieder eindämmen will. Der Kampf gegen die Kinderarmut komme genauso zu kurz wie die Frage, wann der Premier die Waffenlieferungen an Israel stoppen will.

Die Grünen kritisieren, dass konkrete Maßnahmen im Umweltschutz fehlten, wie zum Beispiel verpflichtende Wärmedämmung und bessere Baustandards. Und die rechtspopulistische Partei Reform UK warnt erneut vor Steuererhöhungen. Die Opposition wetzt also schon die Messer.

Tory-Chef und Ex-Premier Rishi Sunak, der nach der Wahl die Regierungsbank gegen die Oppositionsbank tauschen musste, warnt: Nun müsse Labour liefern. Die Opposition werde die neue Regierung zur Verantwortung ziehen.

Lob kommt hingegen aus der Wirtschaft. Die Britische Handelskammer sieht Chancen, dass Labours Pläne Vertrauen schaffen und Investitionen ankurbeln könnten. Die Unternehmen seien mit ihren Forderungen erhört worden. Und Gesundheitsexperten, etwa vom nationalen Gesundheitsdienst NHS, loben Pläne, den Verkauf von Energydrinks und Vapes an Kinder zu verbieten oder einzuschränken. Ob auf den märchenhaften Start der neuen Regierung konkrete Gesetze folgen, ob das die Wirtschaft tatsächlich ankurbelt und die Lebensstandards verbessert werden, muss sie nun zeigen.

Franziska Hoppen, ARD London, tagesschau, 17.07.2024 19:23 Uhr