Marija Pejcinovic Buric (l-r), Generalsekretärin des Europarates, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Wjatscheslaw Tschaus, Gouverneur von Tschernihiw Oblast, begegnen in der Ukraine einer Zeugin (r) mutmaßlicher Kriegsverbrechen, die in einem Schulkeller als Geisel gehalten wurde.

Habeck in der Ukraine Zwischen Kriegsgräuel und Wiederaufbau

Stand: 03.04.2023 17:42 Uhr

Bei seinem Besuch in der Ukraine ist Wirtschaftsminister Habeck mit Präsident Selenskyj auch in das Dorf Jahidne gereist. Zeugen berichteten dort von Gräueltaten in einem Keller. Aber es ging auch um Hilfen - vor allem für den Wiederaufbau.

Von Rebecca Barth, ARD Kiew

Es ist sein erster Besuch nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die gesamte Ukraine. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist zu Besuch in dem Land und unter anderem in das kleine Dorf Jahidne nördlich von Kiew gereist. Zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj besuchte der Vize-Kanzler einen Keller, in dem russische Soldaten Hunderte Dorfbewohner über Wochen festgehalten hatten.

"Die emotionale Tiefe - und ich will das ausdrücklich sagen - auch eines Präsidenten, der jetzt seit einem Jahr sein Land im Krieg hat, hat mich wirklich beeindruckt", sagte Habeck. "Ich möchte das so für mich zusammenfassen, dass die Humanität mit der noch immer auf diese gesamte Situation geschaut wird und aus der heraus gehandelt wird, so fürchterlich und so schlimm einige Entscheidungen zu treffen sind, mich wirklich beeindruckt hat."

Wirtschaftsminister Habeck reist für Gespräche über Wiederaufbau in die Ukraine

Tobias Dammers, ARD Kiew, tagesschau, tagesschau, 03.04.2023 20:00 Uhr

Die Spuren der Besatzung sind bis heute sichtbar. Viele Häuser in Jahidne sind zerstört oder beschädigt. Gleichzeitig aber läuft der Wiederaufbau des Dorfes. Viele Fenster wurden bereits ersetzt, Waffen- und Geschossreste haben die Menschen zu Haufen zusammengestapelt. Eines aber kann das Dorf nicht vergessen: den Keller, in dem Hunderte Einwohner wochenlang zusammengepfercht waren.

Namen der Toten an Kellerwänden

"Sie versammelten alle Menschen auf den Straßen", erinnert sich Iwan Petrowitsch. "Sie versammelten die Menschen, umringten sie von hinten und an den Seiten mit Waffen und sagten: Geht in den Schulkeller, wir werden euch beschütze!. Es wurde nicht erklärt, was der Sinn war, uns dorthin zu bringen."

Etwa 350 Menschen mussten über Wochen in dem Keller ausharren. Nicht alle überlebten. Um die Toten nicht zu vergessen, kritzelten die Menschen ihre Namen in die Kellerwände. Bis heute stehen sie dort - auch sichtbar für Wirtschaftsminister Habeck.

Besonders beeindruckt habe ihn auch die emotionale Reaktion des ukrainischen Präsidenten. "Nachdem ich das alles gesehen habe, kann ich nur wünschen, dass der Präsident Russlands den Rest seiner Tage in einem Keller mit einem Eimer anstatt einer Toilette verbringt", sagte Selenskyj später zu Journalisten.

Militärische, finanzielle und wirtschaftliche Hilfe

Doch Habeck ist nicht nur in die Ukraine gereist, um sich die Folgen von Krieg und Besatzung anzusehen. Mit ihm kam eine Delegation aus hochrangigen Wirtschaftsvertretern. Und auch in den Gesprächen, die er bisher in der Ukraine geführt habe, sei es vor allem um weitere militärische, finanzielle und wirtschaftliche Hilfe gegangen.

Die Ukraine wolle schon jetzt ein starkes Zeichen des Wiederaufbaus setzen, so Habeck. Er erwarte, dass die Gespräche etwa mit dem Energieminister sowie der Wirtschaftsministerin der Ukraine es der ukrainischen Wirtschaft und damit der europäischen Wirtschaft ermöglichen, "einen Schritt nach vorne zu gehen".

Ein erster Schritt sei die Neuaufsetzung der deutsch-ukrainischen Energiepartnerschaft. Die Ukraine wolle ihr Energiesystem dezentralisieren und breiter aufstellen, so Habeck. Deutschland und die Ukraine haben seit 2020 eine formelle Energiepartnerschaft. Dabei geht es eigentlich um die Wende hin zu einer klimafreundlicheren Energieproduktion. Seit dem Angriff Russlands gegen die gesamte Ukraine liegt der Fokus jedoch auf Reparatur und Erhalt des Stromnetzes.

 

Rebecca Barth, Rebecca Barth, ARD Kiew, 03.04.2023 16:06 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 03. April 2023 um 17:32 Uhr.