Nach Bootsunglück in Süditalien Zahl der Todesopfer steigt auf 62
Die Suche nach weiteren Opfern der Katastrophe vor Italiens Küste wird fortgesetzt. Bisher wurden 62 Todesopfer geborgen, unter ihnen viele Kinder. Zahlreiche Menschen werden noch vermisst.
Nach dem Bootsunglück mit vielen Toten vor der süditalienischen Küste suchen Retter seit dem Morgen weiter nach Vermissten. Inzwischen stieg die Zahl der Todesopfer auf 62, wie italienische Behörden der Agentur Reuters mitteilten.
Am Montagmorgen wurden drei weitere Tote im Wasser und am Strand geborgen, einige Kilometer vom Unglücksort Steccato di Cutro entfernt, sagt Feuerwehr-Kommandant Roberto Fasano. Unter den Opfern sollen sich mindestens zwölf Kinder befinden, das jüngste nur wenige Monate alt.
Das Fischerboot, voll besetzt mit Migrantinnen und Migranten, war am frühen Sonntagmorgen nicht weit von Crotone in der süditalienischen Region Kalabrien entfernt bei heftigem Seegang vermutlich gegen einen Felsen geprallt und auseinandergebrochen. Die Menschen an Bord stürzten ins Wasser, viele von ihnen ertranken in den hohen Wellen.
Vermutlich noch etliche Vermisste
Nach Angaben der Rettungsleitstelle haben etwa 80 Menschen das Unglück überlebt. Sie wurden in ein Aufnahmezentrum im Ort Isola di Capo Rizzuto in der Provinz Crotone gebracht.
Die Angaben zur Herkunft der Überlebenden korrigierten die Behörden am Abend. Demnach stammen die Menschen unter anderem aus Pakistan, der Türkei, Afghanistan und Somalia - nicht aus dem Iran, dem Irak und Syrien, wie verschiedene italienische Medien im Laufe des Tages berichtet hatten. Das Boot soll vor vier Tagen aus Izmir in der Türkei gestartet sein.
Wie viele Menschen sich insgesamt an Bord befanden, ist immer noch unklar. Zu Beginn nannten italienische Medien die Zahl 250, die Behörden gehen mittlerweile aber von 150 bis 180 aus. Demnach werden noch bis zu 40 Menschen vermisst.
Suche läuft trotz schwieriger Wetterlage weiter
Helferinnen und Helfer suchen derzeit am Strand weiter nach Opfern und Überlebenden. Auch das Meer wird mit Schiffen der Küstenwache und einem Hubschrauber nach den Vermissten abgesucht.
Bei starkem Wind treiben Schiffstrümmer, Benzintanks, Nahrungsmittelbehälter und Schuhe im Wasser.
Polizei bestätigt Festnahme von Schlepper
Wie ein Polizeivertreter am Montag auf Anfrage bestätigte, wurde ein Mann festgenommen, bei dem es sich um den Schlepper handeln soll.
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich erschüttert vom "nächsten furchtbaren Schiffbruch im Mittelmeer", wie er zum Auftakt der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf am Montag sagte. Er ermahnte die internationale Gemeinschaft zu mehr Anstrengungen:
Wir brauchen sichere, geregelte und legale Routen für Migranten und Flüchtlinge. Solange kriminelle Banden die Migrantenrouten kontrollieren, werden Menschen weiterhin verschwinden.
Regierung sieht sich in ihrer Politik bestätigt
Die Katastrophe vor der kalabrischen Küste hat in Italien eine erneute Diskussion über die Migrationspolitik ausgelöst. Innenminister Matteo Piantedosi betonte bei einem Besuch am Unglücksort, die Regierung werde an ihrem Kurs festhalten: "Wir sind zutiefst überzeugt, dass die Abfahrten der Boote gestoppt werden müssen." Wenn dieses Prinzip durchgesetzt sei, zeigte sich Piantedosi überzeugt, würden "solche Tragödien, solche Situationen zurückgehen."
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni drückte ihre Betroffenheit über das Unglück aus und warf denjenigen, die die Überfahrten organisierten, "Unmenschlichkeit" vor. Ähnlich wie ihr Innenminister betonte sie, die italienische Regierung setze auf Zusammenarbeit rund ums Mittelmeer, um Abfahrten von Migrantenbooten zu verhindern.
Oppositionsvertreter kritisierten dagegen, die Regierung Meloni erschwere die Rettungsarbeiten von Nichtregierungsorganisationen auf dem Mittelmeer. Von "Ärzte ohne Grenzen" hieß es in Richtung der politisch Verantwortlichen, es sei inhuman, inakzeptabel und unverständlich, dass derartige "vermeidbare Tragödien" geschähen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration der UN sind im vergangenen Jahr im Mittelmeer mehr als 2400 Migrantinnen und Migranten ertrunken oder sie gelten als vermisst.
Mit Informationen von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom