Überschwemmungen in Italien "Ravenna ist nicht wiederzuerkennnen"
Neun Tote und ganze Städte unter Wasser: Verheerende Regenfälle haben die Region Emilia-Romagna in Italien heimgesucht - die Feuerwehr brachte Tausende Menschen in Sicherheit. Die Regierung sieht den Klimawandel als Ursache.
Feuerwehrmänner waten im hüfthohen Wasser durch eine überschwemmte Straße in Cesena und schieben ein Schlauchboot vor sich her. Als jemand in einem Haus um Hilfe ruft, schlagen sie eine Fensterscheibe ein, um einen Mann aus seiner überfluteten Wohnung zu befreien.
Es sind dramatische Aufnahmen des Fernsehsenders RAI von einer der vielen Hundert Rettungsaktionen der Feuerwehr in diesen Stunden in der Urlaubsregion Emilia-Romagna. Es sei ein schwarzer Tag, sagte die stellvertretende Regionalpräsidentin Irene Priolo: "Wir stehen hier vor einem Ereignis von zerstörerischem, dramatischem Ausmaß. Für unsere Region ist das in dieser Dimension beispiellos".
"Schlimmste Nacht in der jüngeren Geschichte"
Nach Angaben Priolos mussten über 13.000 Menschen evakuiert werden, weil sie in ihren Wohnungen von Wasser- und Schlammmassen bedroht waren. Neben Cesena, Forlì, Faenza und der Regionalhauptstadt Bologna gehört Ravenna zu den am stärksten betroffenen Städten.
Der dortige Bürgermeister Michele De Pascale hatte bereits in der Nacht die ersten Häuser räumen lassen. "Es war die vielleicht schlimmste Nacht in der jüngeren Geschichte der Emilia-Romagna", sagte er. Es gebe verheerende Schäden in vielen Städten. "Meine Provinz Ravenna", sagte der Bürgermeister, "ist aufgrund der Wassermassen in weiten Teilen nicht wiederzuerkennen".
Hubschrauber holten Menschen von Dächern
Überschwemmt wurden auch Straßen in den bei Urlaubern beliebten Küstenorten Rimini, Riccione und Cervia. Die Feuerwehr setzte Hubschrauber ein, um Menschen von den Dächern ihrer Häuser zu holen, wohin sie sich vor den Wasser- und Schlammmassen in Sicherheit gebracht hatten.
Mindestens neun Menschen kamen nach offiziellen Angaben bei der Unwetterkatastrophe ums Leben. In Cesena wurde ein Landwirt in seinem Haus von den Wasser- und Schlammmassen mitgerissen, in einem Dorf vor der Stadt riss ein Erdrutsch einen Mann in den Tod. In Forli starb ein Mann, der sich im Erdgeschoss seines Hauses aufgehalten hatte, als es überflutet wurde.
Auch in der Toskana ist die Situation kritisch
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni versprach Hilfe für die Regionen, die von der Unwetterkatastrophe betroffen sind. Außer in der Emilia-Romagna wurden auch Orte in den benachbarten Marken überflutet. In der Toskana sei die Situation aufgrund der heftigen Regenfälle ebenfalls kritisch, warnte der dortige Regionalparlamentspräsident Antonio Mazzeo.
Italiens Zivilschutzminister Nello Musumeci machte für das Unwetter und die Überschwemmungen den Klimawandel verantwortlich: "Der Klimawandel hat dieses Gesicht und verursacht diesen Effekt". Es sei klar, sagte Musumeci, "wenn eine Wassermenge, die es im Zeitraum von sechs Monaten hätte regnen sollen, nun innerhalb von 24 oder 48 Stunden herunterkommt, dass dann alle hydraulischen Systeme überfordert sind".
Experte bemängelt zu nahe Bebauung an Flüssen
Dies sei allerdings nur ein Teil der Wahrheit, meint dagegen Marco Casini, Generalsekretär der Wasserverwaltung im zentralen Apennin. Auch die Tatsache, dass in den vergangenen Jahrzehnten häufig zu nah an Flüssen gebaut wurde, habe die jetzige Katastrophe mitverursacht, sagte der Umweltingenieur. Man habe im Städtebau Auslaufflächen der Flüsse begrenzt, so dass es für die Menschen dramatischere Folgen hat, wenn Flüsse über die Ufer treten.
Die extreme Trockenheit der vergangenen Monate allerdings, betonte Casini, habe ebenfalls zu den jetzigen Überschwemmungen beigetragen: "Wenn es lange nicht geregnet hat, fällt das Wasser auf einen sehr trockenen Boden". Dieser verhalte sich dann "wie Asphalt" und lasse das Wasser weiterfließen in die Flüsse und Kanäle - "statt dass das Wasser vom Boden aufgenommen wird".
Wetter soll sich in den nächsten Stunden bessern
Aufgrund der Unwetterkatastrophe in der Emilia-Romagna ist für das Wochenende das geplante Formel-1-Rennen in Imola abgesagt worden. Auch das Fahrerlager des Rennkurses stand unter Wasser, Ferrari-Pilot Charles Leclerc rief über Instagram zu Spenden für die Katastrophenregion auf.
Die Behörden warnten wegen des Unwetters davor, die Adria-Autobahn zwischen Bologna und Rimini zu benutzen. Der Zugverkehr zwischen Bologna und Ancona wurde zeitweise eingestellt. Einen Hoffnungsschimmer gibt es: Laut Meteorologen soll sich das Wetter in der Emilia-Romagna in den nächsten Stunden schrittweise bessern.