Kohleausstieg in Großbritannien "Das Ende einer Ära"
Nach mehr als 140 Jahren stellt Großbritannien die Stromerzeugung aus Kohle ein. Am Abend wird das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet. Damit wird das Land als erstes großes Industrieland kohlefrei.
Richard Montgomery hat in diesem Kohlekraftwerk 43 Jahre gearbeitet. Der Ingenieur ist einer der dienstältesten Mitarbeiter in Ratcliffe-on-Soar. Natürlich sei er traurig, zu sehen, wie das Kraftwerk geschlossen wird. Neue Kohle wurde nicht mehr angeliefert, heute am Abend soll die Stromproduktion eingestellt werden. Natürlich habe ihn das stolz gemacht, hier zu arbeiten, weil das Land ihn gebraucht habe. "Aber jetzt ist diese Zeit eben vorbei, das Ende einer Ära", sagt Montgomery. "Wir müssen nach vorne blicken."
Das Kraftwerk ist riesig. Die Industrieanlage konnte zwei Millionen Haushalte mit Strom versorgen. In Hochzeiten haben hier 3.000 Menschen gearbeitet - rund um die Uhr.
Gas als sauberere, billigere Alternative
Die Gründe für den schnellen Ausstieg sind vielfältig. Zu Beginn der 2000er-Jahre wurden die Vorgaben zur Reinhaltung der Luft strenger. Die Anlagen mussten modernisiert werden. Dadurch stieg der Preis für die Stromproduktion aus Kohle.
Gas wurde eine sauberere und vor allem billigere Alternative, sagt Jess Ralston vom Think-Tank Energy and Climate Intelligence Unit. "Großbritannien fördert Gas in der Nordsee, deswegen ist es wirtschaftlich, Kohle abzulösen." Der Anteil von Gas am Strommix 2022 betrug mehr als 38 Prozent. Hinzu kommt, dass der Stromverbrauch in den letzten Jahren im Vereinigten Königreich zurückgegangen ist - zugleich ist die Windenergie dazugekommen.
Erneuerbare Energien haben an Attraktivität gewonnen
"Erneuerbare Energien sind mittlerweile wettbewerbsfähig. Es ist attraktiv, hier zu investieren", sagt Ralston. "Es ging also von Kohle zu Gas und nun hin zu erneuerbaren Energien, auch weil die Gasfelder in der Nordsee bald aufgebraucht sind."
Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil des Kohlestroms bei 26 Prozent. Deutschland hat mit 32 Prozent aber auch einen hohen Anteil bei der Windkraft. Das ist sogar noch mehr als im Vereinigten Königreich. Aber Deutschland hat nur wenige Gaskraftwerke und keinen Atomstrom mehr. Der Anteil des Atomstroms in Großbritannien liegt bei 15 Prozent. Zwar bauen die Briten gerade noch Atomkraftwerke, doch das ist extrem teuer - und es gibt die Problematik mit der Endlagerung.
Bis 2035 will Großbritannien nun den Strommix so gestalten, dass nahezu kein CO2 mehr bei der Produktion entsteht. Die neue Labour-Regierung fördert den Ausbau der Solar-Stromerzeugung. Es soll auch wieder leichter möglich werden, Windräder auf dem Land zu bauen. Das dürfte vor allem deswegen gelingen, weil das Vereinigte Königreich zahlreiche große Projekte zur Speicherung von Strom hat, so Ralston. Die weltweit größte Speicher-Einrichtung werde in der Nähe von Manchester eingerichtet.
Uniper will grünen Wasserstoff produzieren
Auch am Standort Ratcliffe-on-Soar wird die Energiewende stattfinden. Die acht großen Kühltürme sollen abgerissen werden. Der Eigentümer des Kraftwerkes, die deutsche Firma Uniper, will hier grünen Wasserstoff produzieren.
Für Claire Taylor ist das ein bewegender Moment, wenn die Kühltürme bald weg sind. Sie führt ein Pub in der Gegend. Für sie geht ein Stück Heimat verloren. Die Kühltürme seien von weitem aus zu sehen. Außerdem arbeite ihr Vater in dem Kohlekraftwerk. Der müsse sich nun einen neuen Job suchen.