Tod des Kremlkritikers Drohkulisse vor Nawalnys Beerdigung
Der Kremlkritiker Nawalny soll heute in Moskau beigesetzt werden. An der Kirche versammelten sich bereits mehrere Menschen. Beobachter befürchten, dass die Polizei Anhänger des Verstorbenen festnehmen könnte.
Russlands Machtapparat hat vor der heute geplanten Beerdigung des Kremlgegners Alexej Nawalny in Moskau an der Kirche und am Friedhof eine für die Trauernden beispiellose Drohkulisse aufgebaut.
Metallgitter wurden weiträumig aufgestellt, Dutzende Einsatzfahrzeuge mit Uniformierten bezogen schon am frühen Morgen Stellung, Uniformierte überprüften Dokumente und persönliche Gegenstände von Passanten, wie russische Medien meldeten. Auch am Borissowskoje-Friedhof, wo Nawalany beigesetzt werden sollte, wurden zahlreiche Polizisten postiert.
Menschen versammeln sich an Kirche
Trotz des Großaufgebots von Polizei und Sicherheitskräften versammelten sich Hunderte Menschen an der Kirche, melden Nachrichtenagenturen übereinstimmend. An der Kirche drängten sich Menschen an Metallgittern, um sich von Nawalnyr zu verabschieden, meldet die Nachrichtenagentur dpa. Einige von ihnen hatten Blumen dabei, wie AFP-Journalisten berichteten.
Absperrung und Überwachung: Die Polizei am Borissowskoje-Friedhof in Moskau.
Die Trauerfeier für Nawalny ist in der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone "Lindere meine Trauer" im südöstlichen Bezirk Marjino ist für 14.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MEZ) geplant, wie Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch bestätigte. Zwei Stunden später soll dann die Beisetzung auf dem rund eine halbe Stunde zu Fuß entfernten Friedhof Borissowskoje erfolgen.
Festnahmen befürchtet
Befürchtet wird, dass der russische Machtapparat hart gegen Nawalnys Unterstützer vorgehen wird. Schon am Donnerstag bezog die Polizei vor dem Friedhof Stellung und kontrollierte Ausweise sowie Taschen von Passanten.
Zudem wurden zahlreiche Absperrgitter zum Friedhofsgelände gebracht. Schon in den vergangenen Wochen wurden russlandweit Hunderte Menschen festgenommen, die an Denkmälern Blumen für den bekannten Oppositionspolitiker niederlegen wollten.
Auch die Witwe des Kremlkritikers, Julia Nawalnaja, die im Exil seine Oppositionsarbeit fortsetzen will, befürchtet nach eigenen Angaben Festnahmen von Trauergästen durch die Polizei. In Russland nimmt die Trauergemeinde gewöhnlich am offenen Sarg Abschied von dem Verstorbenen.
Anhänger Nawalnys riefen die Menschen, die nicht persönlich bei der Beerdigung dabei sein können, dazu auf, sich am Freitagabend an bestimmten Punkten in ihren Heimatstädten zu versammeln. Der Kreml hat diese Äußerungen als Provokation abgetan und gewarnt, dass die Polizei das Gesetz durchsetzen werde. Nach früheren Versammlungen von Nawalny-Anhängern zu urteilen, ist mit einem starken Polizeiaufgebot zu rechnen.
Nawalny-Sprecherin: Vorbereitungen für Trauerfeier schwierig
Nawalny-Sprecherin Jarmysch hatte am Donnerstagnachmittag auf der Plattform X beklagt, dass die Behörden die Vorbereitungen für die Trauerfeier weiter behinderten. So sei es noch immer nicht gelungen, einen Leichenwagen zu organisieren, um Nawalnys Körper in die Kirche zu bringen, schrieb sie am Donnerstagnachmittag. Die Moskauer Bestattungsunternehmen erhielten Drohanrufe von Unbekannten, die sie davor warnten, den Leichnam zu transportieren.
Für Entsetzen sorgte auch, dass Nawalnys Angehörige nach seinem Tod tagelang nach seiner Leiche suchen mussten und später offenbar von Vertretern des Staatsapparats bedrängt und erpresst worden sein sollen.
Angaben von Mutter Ljudmila Nawalnaja zufolge wollte der Kreml erreichen, dass Nawalny heimlich beerdigt werde. Dagegen jedoch wehrte sie sich immer wieder. Schließlich erklärte Nawalnys Team dann, einen Ort für die Trauerfeier organisieren zu wollen.
Nawalny ist offiziellen Angaben zufolge am 16. Februar im Alter von 47 Jahren in einem Straflager nördlich des Polarkreises gestorben. Der scharfe Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin war durch einen Giftanschlag im Jahr 2020 und ständige Einzelhaft im Lager körperlich sehr geschwächt. Seine Unterstützer und auch viele internationale Beobachter sind sich deshalb einig, dass von einer "natürlichen" Todesursache, wie es auf dem Totenschein heißen soll, keine Rede sein kann. Laut den russischen Behörden ist die Todesursache unbekannt.