Rentenerhöhung in Polen Ein teurer Versprecher
Polens Vize-Ministerpräsident Kaczynski hat bei einem Auftritt vor Anhängern mehr Rente versprochen als ursprünglich geplant. Doch statt seine Aussage zurückzunehmen, wird das System neu berechnet. Denn Kaczynski darf sich nicht irren.
Jaroslaw Kaczynski steht vor seinen Anhängern auf der Bühne, wie so oft in den vergangenen Monaten. Diesmal in Paradyz, einem kleinen Dorf in der Nähe von Lodz. Der Vorsitzende der Regierungspartei PiS scheut die Begegnung mit der Opposition.
Die verlässliche Kernwählerschaft der PiS von etwa 30 Prozent soll aber um jeden Preis mobilisiert werden - unter anderem mit einer zusätzlichen, inzwischen 14. Rentenzahlung.
Netto mit brutto verwechselt
Schon im Mai war ein Gesetz dazu verabschiedet worden. Jetzt verkündet Kaczynki, mit wie viel Geld polnische Senioren bald rechnen dürfen: "Wir haben beschlossen und das auch schon per Gesetz gesichert, dass die sogenannte 14. Rente auch in den kommenden Jahren ausgezahlt wird. (...) Also ich teile Ihnen mit, dass sie 2200 Zloty netto betragen wird."
Umgerechnet 492 Euro zusätzlich pro Jahr, dies soll nicht nur einmal, sondern fortlaufend geschehen - Applaus im Publikum, Verwirrung in der PiS-Zentrale. Denn Kaczynki, in Polen nur "Prezes" genannt, der Vorsitzende, hat sich vertan. 2200 Zloty netto, verspricht er. Brutto war gemeint.
Das fällt schnell auf, als die PiS parallel zum Auftritt des Prezes die vorbereitete Meldung in sozialen Netzwerken postet. Da ist von brutto die Rede. Um auf den selben Betrag netto, also nach Steuern und Krankenkasse, zu kommen, müsste die polnische Rentenkasse wesentlich mehr Geld ausgeben.
Rentensystem wird angepasst
Ein Versprecher, kann vorkommen - aber nicht beim Prezes. Der Rentenexperte Antoni Kolek stellt schnell fest, dass sich nicht Kaczynski revidiert, sondern das Rentensystem, "denn schon am nächsten Tag hat die Regierung eine Verordnung veröffentlicht, in der die Rede von 2650 Zloty brutto ist. Ich habe keinen Zweifel daran, dass diese 14. Rente noch während der Wahlkampagne gezahlt wird. Wenn wir in den Haushalt für 2024 schauen, gibt es dort keine erhöhte Zahlung. Da sind nur Mittel für die Mindestrente gesichert."
Angst vor Wahlniederlage
So oder so, die Zahlungen werden nicht reichen, um die hohe Inflation auszugleichen, kritisiert die linke Opposition. Aber vor den Wahlen ist es ein starkes Versprechen und Kaczynski hat nicht geirrt, darf auch nicht irren.
Im PiS-Lager gehe die Angst vor einer Wahlniederlage um, sagt der Soziologe Andrzej Rychard von der polnischen Akademie der Wissenschaften: "Ich sehe das nicht nur als Zeichen, dass wir ein System haben, in dem alles vom Gutdünken des Vorsitzenden abhängt, sondern auch ein Zeichen der Angst. Was wird aus den Wahlen, wenn wir diesem Irrtum nicht Taten folgen lassen. Was soll´s? Dann kostet es halt acht Milliarden."
Von acht bis neun Milliarden Zloty Mehrkosten durch Kaczynskis Versprecher gehen Experten aus, also etwa zwei Milliarden Euro. Einen Rückweg gibt es nicht, die ersten Rentenzahlungen sind schon Anfang September angewiesen worden.