Ukraine-Kontaktgruppe "Wir werden durchhalten"
Bei einem Treffen in Ramstein haben Vertreter von mehr als 50 Staaten weitere Militärhilfe für die Ukraine abgestimmt. So sollen "Leopard"-Panzer künftig in Polen repariert werden. Doch es herrscht nicht nur Einigkeit.
Über dem Gelände surrt eine Drohne, zwischendurch heult eine amerikanische Sirene auf. Dann hebt dröhnend eine schwere Militär-Transportmaschine ab und erhebt sich schwerfällig über das Gelände. Es ist eine eigenwillige Geräuschkulisse auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein bei diesem bereits vierten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe. Das ist eine Art Jubiläum, allerdings eines aus schrecklichem Anlass: wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine gibt es nun dieses "Ramstein-Format" - bestehend aus den NATO-Ländern und weiteren Unterstützern - ziemlich genau ein Jahr.
"Ukraine is still standing strong" - "Die Ukraine bleibt standhaft", so drückt es US-Verteidigungsminister Lloyd Austin aus. Und so soll es aus Sicht der Verbündeten auch bleiben. Austins Angaben zufolge hat die Ukraine-Kontaktgruppe bislang Hilfen in Höhe von 55 Milliarden Dollar zugesagt, 35 davon hätten die USA selbst beigesteuert. Insgesamt sei das eine Steigerung um das Zehnfache seit dem ersten Treffen.
"Leopard 2"-Instandsetzung in Polen soll kommen
Der russische Krieg gegen die Ukraine sei inzwischen auch zu einem "Krieg der Logistik" geworden, sagt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der dieses Wort zwar selbst ein "bisschen langweilig" findet. Dennoch kennzeichne es am besten, um was es jetzt geht: die Durchhaltefähigkeit der Ukraine zu stärken. Mit Wartung, mit Munition, mit Reparaturen.
Genau dafür werden in der Mittagszeit drei Unterschriften geleistet. Es treffen sich die Verteidigungsminister Polens, der Ukraine und Deutschlands an einem blau eingedeckten Tisch. Vor ihnen stehen die jeweiligen Landesfahnen: Die drei unterzeichnen eine Absichtserklärung für die künftige Wartung der gesamten "Leopard 2"-Flotte in Polen. Der ukrainische Verteidigungsmister Olexij Resnikow sitzt in der Mitte, gerahmt von seinen beiden Amtskollegen. Das kurze Treffen endet nicht nur mit Händeschütteln, sondern mit Umarmungen, auch einer deutsch-polnischen. Und das ist nach den vielen Streitereien der beiden Länder in Sachen Ukraine-Unterstützung durchaus bemerkenswert.
Die neue Instandsetzungs-Drehscheibe in Polen soll bereits Ende Mai ihre Arbeit aufnehmen. Die Kosten von bis zu 200 Millionen Euro pro Jahr will man sich brüderlich teilen, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius erläutert. Darauf habe man sich bei einer Sitzung geeinigt, die der Minister als "Panzer-Lunch" bezeichnet - also einem Treffen jener Nationen, die die Ukraine mit Kampfpanzern westlicher Bauart unterstützen. Die wichtigste Botschaft von all diesen Anstrengungen ist eine, die gerade in Moskau vernommen werden soll: "Putin kann nicht auf Zeit spielen. Wir werden durchhalten." In diese Worte fasst es Pistorius.
Genau dieses Durchhaltesignal sucht der SPD-Politiker mit einer Aufzählung all dessen zu untermauern, was Deutschland der Ukraine an Kriegsgerät bereits hat zukommen lassen. Erst diese Woche waren für die so wichtige Flugabwehr ein Patriot- sowie ein zweites IRIS-T-System in dem angegriffenen Land angekommen.
Ausbildung an "Leopard 1"-Panzern beginnt
Zusätzlich soll nun ab morgen die Ausbildung von über 100 ukrainischen Soldaten am "Leopard 1"-Kampfpanzer beginnen - einem System, das von der Truppe einst aussortiert wurde, nun aber in der Ukraine noch nützliche Dienste leisten soll. Bereits ab Jahresmitte sollen bis zu 80 dieser Kampfpanzer geliefert werden. "Auch das geht zügig voran", stellt Pistorius in Ramstein zufrieden fest. Damit ist ein weiteres "Durchhaltesignal" von diesem Treffen ausgesendet.
Denn auch Pistorius dürfte klar sein: Wenn die Ukraine weiter durchhalten soll, werden das auch deren Partner bei den Waffenlieferungen tun müssen.
Und genau darum bemüht sich auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Er ist der Gastgeber der Runde - er eröffnet sie, er beendet sie. Nicht ohne auf die sogenannten "Pentagon-Leaks" einzugehen. Wegen dieser im Internet aufgetauchten Geheimdokumente stehen die Amerikaner in der Kritik. Austin begegnet dem in seinen Abschlussworten mit Vorwärtsverteidigung: Er nehme das sehr ernst, habe zugleich von den Verbündeten viel Solidarität erlebt: "Nichts wird unsere Einigkeit spalten. Oder unsere Entschlossenheit schmälern", bekräftigt Austin.
Nicht bei allen Themen gibt es Einigkeit
Doch auch in Ramstein wird regelmäßig klar: Der Versuch, mit einer Stimme zu sprechen, gelingt nur bedingt. Letztes Mal waren es die "Leopard 2"-Kampfpanzer, die Deutschland damals noch nicht zusagte und über die man diskutierte. Diesmal sind es andere Themen. So ist für den deutschen Verteidigungsminister klar: es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um über den NATO-Beitritt der Ukraine zu reden. Die Tür stehe einen "spaltweit offen", sagt er, aber der Beitritt sei jetzt und in Ramstein kein Thema.
Von der Ukraine und NATO-Generalsekretär Stoltenberg geht einen Tag nach dessen überraschendem Kiew-Besuch da erheblich mehr Druck aus. So habe der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auch die Einladung zum NATO-Gipfel in Vilnius angenommen, verkündet Stoltenberg in Ramstein. Russland dagegen lässt verlauten, es betrachte einen potenziellen Beitritt als Bedrohung.
"Gebt uns die Werkzeuge, und wir erledigen den Job"
Auch in anderen Punkten gibt es nicht nur Einigkeit. Über Kampfjets westlicher Bauart will NATO-Generalsekretär Stoltenberg wenigstens sprechen. Die Ukraine fordert sie. Wieder einmal. Ihr Verteidigungsministerium untermauert das pünktlich zum Treffen der Kontaktgruppe in einem eigenwilligen Twitter-Video - unterlegt mit der "Top Gun" -Musik "Take my Breath away". Wir müssen reden, heißt es da.
Kiew drängt erneut auf die Lieferung westlicher Kampfjets, insbesondere von F-16-Maschinen amerikanischer Bauart. Deutschland sieht sich von dieser Forderung aus Sicht von Pistorius nicht angesprochen. Die hierzulande verfügbaren Tornados, die reichlich in die Jahre gekommen sind, und die nur langwierig zu erlernenden Eurofighter seien keine Option. Und die USA? Weichen auf die F-16-Frage hin aus: Was die Ukraine am dringendsten brauche, seien bodenbasierte Flugabwehr-Systeme, betont Verteidigungsminister Austin. Da könnten die Partner durchaus noch mehr tun. Auch für das nächste Treffen auf der Luftwaffenbasis Ramstein ist für Diskussionsstoff also gesorgt.
Der ukrainische Verteidigungsminister spricht zum Schluss von der starken Symbolik des Treffens, von einem Jahr Unterstützung durch die Kontaktgruppe. Er sei wirklich zufrieden mit den Ergebnissen, sagt Resnikow. Dann zitiert er noch Winston Churchill: "Gebt uns die Werkzeuge und wir erledigen den Job."