"Patrioten für Europa"-Vizevorsitzende Kinga Gal (Mitte) bei einer Pressekonferenz zur Gründung der Fraktion.

Rechtsfraktion "Patrioten für Europa" Die neue Nummer drei im EU-Parlament

Stand: 08.07.2024 21:46 Uhr

Mit den "Patrioten für Europa" gibt es künftig eine neue, große Fraktion im Europaparlament. Inhaltlich vertritt sie bekannte Positionen rechter Parteien. Der Krieg in der Ukraine wird ausgespart.

Es ist ein Achtungserfolg für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Der in der EU wegen seines autoritären Regierungsstils und seiner Nähe zum Kreml weitgehend isolierte Politiker konnte nicht nur seiner seit 2021 fraktionslosen Regierungspartei Fidesz wieder eine politische Heimat geben, sondern dafür auch die französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen gewinnen. Die hatte darauf gedrängt, die Konstituierung auf diesen Montag zu verschieben, um die Wahl in Frankreich abzuwarten.

Dabei gelang dem Rassemblement National nicht der erhoffte Sieg, doch gewann er deutlich dazu, und stellt nach den Europawahlen im Juni auch im EU-Parlament die größte nationale Delegation. Verständlich, dass der Shootingstar der Partei, Jordan Bardella, nun Vorsitzender der neuen Fraktion ist. Erste Stellvertreterin wird die ungarische Fidesz-Politikerin Kinga Gál.

"Wir patriotischen Politiker repräsentieren Millionen Europäer, die einen Wandel wollen", sagt Gál. Sie stünden gegen das Brüsseler Establishment, "das nur seine Macht bewahren" wolle. "Als vor zehn Tagen in Wien Viktor Orban mit dem früheren tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis und dem österreichischen FPÖ-Politiker Herbert Kickl die Initiative startete, legten sie im 'Patriotischen Manifest' klare Ziele und Regeln fest."

"Wir wollen weiter wachsen"

Dieses beinhaltet die bekannten Positionen rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien: Die Verteidigung der Souveränität der Länder und Rückbau der EU-Integration, den Kampf gegen illegale Migration und den sogenannten Green Deal.

Der Krieg in der Ukraine wird ausgespart. Es heißt lediglich, man wolle sich für Frieden, Sicherheit und Entwicklung anstelle von Krieg, Migration und Stagnation einsetzen. Diese vage Formulierung machte den Beitritt auch von Parteien möglich, die anders als beispielsweise Orban oder Kickl, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine deutlich verurteilen.

So wie auch Jorge Buxadé Villalba. Der Delegationschef der rechtspopulistischen Vox aus Spanien glaubt, dass es jetzt darum gehe die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen: "Wir sind jetzt die drittstärkste Fraktion und wollen weiter wachsen", sagt er. "Ziel ist dieser neuen EU-Kommission - wahrscheinlich unter Ursula von der Leyen - eine patriotische Kraft entgegenzusetzen. Jetzt sind wir 84 Abgeordnete."

Mehr Geld, mehr Gewicht

Damit konnte man die andere Rechtsfraktion, die Europäischen Konservativen und Reformer, überflügeln, und ist nach Christ- und Sozialdemokraten sogar drittstärkste Kraft im EU-Parlament. Das bedeutet vor allem Geld. So erhält jede Fraktion pro Mitglied allein rund 100.000 Euro im Jahr.

Die "Patrioten für Europa" können außerdem einige wichtige Ausschüsse im Parlament für sich beanspruchen und würden auch in der sogenannten Konferenz der Präsidenten, in der sich die Fraktionschefs versammeln, mehr Gewicht bekommen. Wir wollen jetzt an die Schaltstellen der Macht, erklärt Harald Vilimsky von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ): "Ich glaube, das tut Europa gut. Viele sagen Europa rückt nach rechts. Ich sage: Europa rückt damit in Richtung Normalität."

AfD bleibt fraktionslos

Die AfD wird vorerst kein Mitglied der neuen Fraktion sein. Die Partei war von ihr unter anderem wegen einer NS-Aussage ihres Spitzenkandidaten Maximilian Krah ausgeschlossen worden, und dann mit dem Versuch gescheitert, eine eigene Fraktion zu gründen. Deshalb muss die Europa-AfD nun mit deutlich weniger Geld auskommen.

Fraktionslose haben weniger Redezeit und sind faktisch von der Gesetzgebungsarbeit ausgeschlossen. Ein Schicksal, das auch das Bündnis Sarah Wagenknecht teilt, das ebenfalls mit dem Versuch gescheitert war, eine eigene Parlamentsfraktion zu gründen.

Matthias Reiche, ARD Brüssel, tagesschau, 08.07.2024 19:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 08. Juli 2024 um 22:05 Uhr.