Russland zum Staudammbruch "Cherson - ohne Bewässerung quasi eine Wüste"
Der Kreml bleibt dabei: Der Bruch des Staudamms Kachowka sei eine Folge ukrainischer Sabotage. Wie stellen russische Vertreter die Konsequenzen und die Lage in den von Russland besetzten Überschwemmungsgebieten dar?
Eine Woche nach dem Bruch des Staudamms Kachowka ist der Höhepunkt des Hochwassers nach russischen Angaben überschritten. Das Wasser fließe langsam ab, meldete der von Russland eingesetzte Gouverneur für das Gebiet Cherson, Wladimir Saldo.
35 Siedlungen sind seinen Angaben zufolge überflutet worden, dazu Teile der Stadt Nowa Kachowka, die direkt am gebrochenen Staudamm und dem dazugehörigen zerstörten Wasserkraftwerk liegt.
Insgesamt wurden nach russischen Angaben mehr als 7000 Menschen auf der von Russland besetzten Seite in Sicherheit gebracht. Bis zu 40.000 seien von den Überschwemmungen betroffen gewesen.
Wie soll es weitergehen, wenn die Fluten des Kachowka-Staudamms versickert sind? Die Bewohner der Region wissen, dass dann viele neue Probleme auf sie zukommen werden.
Moskau zeigt auf die Ukraine
Ende vergangener Woche hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow den Bewohnern im russisch besetzten Teil der Flutgebiete schnelle Hilfe versprochen, zugleich aber schwere Anschuldigungen Richtung Ukraine erhoben.
Das Katastrophenschutzministerium ergreife auf Anweisung des Präsidenten "energische Maßnahmen" und nutze alle zusätzlichen Ressourcen, um den Menschen zu helfen, so Peskow. Die lokalen Behörden, mit denen der Präsident in Kontakt stehe, arbeiteten "selbstlos".
Aber man dürfe nicht vergessen, dass alle Arbeit unter anhaltendem Beschuss der ukrainischen Streitkräfte stattfinde. Zudem sei die Zerstörung des Staudamms auf ukrainische Sabotage zurückzuführen, behauptete Peskow.
Aus der Ukraine kommen unabhängige Berichte von Journalisten vor Ort, wonach die Rettungskräfte russischem Beschuss ausgesetzt sind. Allerdings gebe es auch ausgehendes Artilleriefeuer in die andere Richtung, möglicherweise um dort russische Stellungen zu treffen.
Die Seuchengefahr steigt
Indessen steigt die Seuchengefahr in den Überflutungsgebieten. Die russische Armee sei damit beauftragt worden, Häuser nach dem Abpumpen des Wassers zu desinfizieren, berichtet der von Moskau eingesetzte Gouverneur Saldo. Nahrungsmittel und Trinkwasser in Flaschen würden an die Bevölkerung ausgegeben.
Vorsorglich werden die Menschen in den betroffenen Gebieten aufgerufen, sich unter anderem gegen Hepatitis impfen zu lassen.
Die Folgen für die Region seien verheerend, so Pjotr Sbarowskij, der im russisch besetzten Teil Chersons für den Bereich Landwirtschaft zuständig ist:
Die Region Cherson ist ohne Bewässerung quasi eine Wüste. Saatfelder, Weinplantagen und andere Anbaukulturen sind natürlich verloren gegangen. Das muss man zugeben.
Auch die Krim spürt die Folgen
Von russischer Seite wird außerdem darauf hingewiesen, dass die Wasserversorgung der Krim jetzt stark beeinträchtigt sei. Die 2014 von Russland annektierte Schwarzmeerhalbinsel wurde zuletzt über den Nord-Krim-Kanal, der aus dem Kachowka-Stausee gespeist wurde, mit Wasser versorgt.
Noch könne man auf der Krim auf relativ gut gefüllte Stauseen zurückgreifen, so der dortige russische Statthalter Sergej Aksjonow.
Sorge bereitet auch die Situation am Atomkraftwerk Saporischschja, das von russischen Truppen besetzt ist. Das Wasser aus dem zerstörten Stausee wurde auch zur Kühlung alter Brennstäbe verwendet.
Zwar betonen Russland und die Ukraine, es bestehe derzeit keine akute Gefahr. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA will sich jedoch selbst ein Bild von der Lage vor Ort machen, da die Angaben zu den aktuellen Wasserständen erheblich variieren.