Nach Dammbruch in der Ukraine "Wer weg wollte, ist schon weg"
Die Flut im Gebiet Cherson hat eine humanitäre Krise im Kriegsgebiet ausgelöst. Ukrainische Rettungskräfte haben bislang rund 2400 Menschen evakuiert - doch viele wollen bleiben.
Die Stadt Mykolajiw liegt rund 75 Kilometer nördlich von Cherson. Hier fließt der Inhul in den Südlichen Bug, der wiederum ins Schwarze Meer mündet. Die unkontrollierten Wassermassen des Dnipro behindern das und so ist die Region Mykolajiw zurzeit gewissermaßen das Hinterland der Überflutung. Doch auch hier sind Straßen, Wege, Felder, ganze Dörfer und Brücken überschwemmt.
Wasser steht mehr als fünf Meter hoch
Vlad und Sergej stehen hüfthoch im Wasser. Einer hat ein großes Paket auf dem Arm, das er zur Post bringen möchte. "Ich weiß nicht, wie das alle machen. Es sind nicht viele Leute dort hinten geblieben", erzählen sie, als sie auf der teilweise überschwemmten Brücke kurz stehen bleiben.
Am dritten Tag nach dem Dammbruch ist die Situation im Hochwassergebiet weiter schwierig und in Teilen unübersichtlich. Nach Angaben der regionalen Militärverwaltung von Cherson sinkt der Wasserstand in der Region langsam wieder. In den betroffenen Überschwemmungsgebieten der Region stehe das Wasser im Schnitt dennoch etwa 5,40 Meter hoch.
Trinkwasserproblem hat sich verschärft
Die Versorgung mit Trinkwasser sei für die Stadt Mykolajiw seit Langem ein Problem, sagt Vize-Bürgermeister Vitaji Lukow. Die Stadt lag monatelang unter starkem russischem Beschuss und die Zerstörung durch Raketen ist an jeder Ecke zu sehen. Nach der Rückeroberung von Cherson lag ein Teil der Trinkwasserversorgungsanlage auf besetztem Gebiet, was die Versorgung erschwert hat.
Durch die Überflutung sei nun auch noch die ohnehin anfällige Pumpstation überschwemmt, deren Strom vor rund drei Wochen ausgefallen sei. Nun habe die Stadt Mykolajiw keine Aussichten, die Station zu reparieren, da alles überflutet sei, sagt Vize-Bürgermeister Lukow.
Rund 2400 Menschen von Ufer weggebracht
Auf dem ukrainisch kontrollierten rechten Ufer wurden bis zum Nachmittag rund 2400 Menschen evakuiert. Sie und ihre Helfer müssen weiter mit russischem Beschuss rechnen.
Nach Angaben der regionalen Militärverwaltung vom Vormittag wurde alleine die Stadt Cherson in den letzten 24 Stunden 25 Mal mit Raketen, Drohnen und Artillerie angegriffen. In der gesamten Region wurden dabei zwei Menschen getötet und 17 verletzt, zwei von ihnen schwer.
Viele bleiben und warten ab
Die Stadt Mykolajiw hat sich darauf eingestellt, bis zu 1000 Menschen aufzunehmen - aber bisher seien nur wenige gekommen, erklärt Vizebürgermeister Lukow weiter. Die meisten wollten offenbar bleiben und abwarten.
Wer weg wollte, ist schon weg.
Nach ukrainischen Angaben sitzen auf der besetzten linken Uferseite Menschen auf Dächern, Hunderte hätten seit Tagen kein Essen und Trinken bekommen.
Informationen über Tote, Vermisste und Verletzte sind unterschiedlich. Das ukrainische Innenministerium teilte am Nachmittag mit, vier Menschen seien durch das Wasser umgekommen - 13 Menschen würden vermisst und elf seien verletzt worden.