Eine Regenbogenflagge gegen das Sonnenlicht gehalten.

Recht auf Selbstbestimmung Wie sieht die Gesetzeslage in anderen Ländern aus?

Stand: 01.11.2024 06:27 Uhr

In Deutschland ist es jetzt möglich, beim Standesamt den Eintrag über das eigene Geschlecht zu ändern. In anderen Ländern gibt es solche Regelungen längst. Doch Diskriminierung verschwindet nicht automatisch per Gesetz.

Schweiz

In der Schweiz ist geschlechtliche Selbstbestimmung seit fast drei Jahren ganz einfach: Wer Vornamen und Geschlecht offiziell ändern will, muss nur auf das sogenannte Zivilstandsamt (also das Standesamt), 75 Franken zahlen und erklären, dass er oder sie fest überzeugt ist, nicht dem bislang eingetragenen Geschlecht zugehörig zu sein. Diese unbürokratische Änderung des Geschlechtseintrags ist aber nur für Menschen ab 16 Jahren möglich. Wer jünger ist, braucht die Erlaubnis der Eltern oder eines gesetzlichen Vertreters.

Gewechselt werden kann vom Eintrag Mann zu Frau oder von Frau zu Mann. Eine dritte Option für non-binäre Menschen gibt es in der Schweiz nicht. Nach dem Sieg des non-binären Schweizer Popstars Nemo beim Eurovision Song Contest ist die politische Debatte über einen dritten Geschlechtseintrag wieder aufgeflammt. Geändert hat sich bislang aber nichts.

Im ersten Jahr nach Einführung der vereinfachten Regelung ließen knapp 1.200 Schweizerinnen und Schweizer ihren Geschlechtseintrag ändern. 2023 waren es nur noch 713. Auch Wechsel zurück zum ursprünglich eingetragenen Geschlecht sind möglich, aber selten.

Dänemark

Vor zehn Jahren hat Dänemark bereits ein Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Seit 2014 muss niemand mehr Gutachten vorlegen, wenn er oder sie das Geschlecht offiziell ändern lassen will. Auch eine Operation oder hormonelle Anpassung ist nicht notwendig. Seitdem gilt nur noch: Für den Antrag muss man volljährig sein und eine Bedenkzeit von sechs Monaten abwarten, bis der Geschlechtseintrag geändert wird.

Damit war Dänemark eines der ersten Länder weltweit, dass ein solches Gesetz eingeführt hat. Doch auch zehn Jahre danach gibt es immer noch Diskussionen rund um das Geschlechter-Thema.

Vor Kurzem hatte die liberal-konservative dänische Gleichstellungsministerin Marie Bjerre in einem Gastbeitrag für eine Zeitung geschrieben: "Eine trans Frau ist ein biologischer Mann". Es gebe nur zwei biologische Geschlechter: Mann und Frau. Ihr gehe die Debatte über Geschlechteridentität zu weit. Stattdessen solle man doch wieder mehr über Gleichstellungsprobleme sprechen.  

Sofie Donges, ARD Stockholm, tagesschau, 01.11.2024 06:59 Uhr

Argentinien

Argentinien hat bereits vor mehr als zehn Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen in puncto Inklusion. Als erstes Land Südamerikas verabschiedete es 2012 ein Selbstbestimmungsgesetz. Es ermöglicht trans Menschen, Geburtsurkunden und Ausweise auf Namen und Geschlecht ihrer Wahl ausstellen zu lassen. Die Umstellung ist ohne vorherige psychiatrische oder medizinische Untersuchung möglich.

Mehr als 12.000 Menschen haben seit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes in Argentinien ihre Identität gewechselt. Das sind offizielle Zahlen. Und bei Behörden gibt es heute eine Beschäftigungsquote von einem Prozent für trans Personen.

Das heißt aber nicht, dass es heute keine Diskriminierung oder Benachteiligung mehr gibt. 95 Prozent der Transgender haben keinen formellen Job. Für viele bleibt nur die Sexarbeit. Die Transquote in Behörden wird nach wie vor unterschritten. Und auch politisch fehlt Repräsentation. Dennoch ging Argentinien 2021 noch einen Schritt weiter: Neben männlich oder weiblich kann im Ausweis vermerkt werden, wenn die Zuordnung zu keinem Geschlecht gewollt ist.

Doch nun gibt es starken Gegenwind. Die neue Regierung des rechts-libertären Präsidenten Javier Milei hält Genderpolitik für linke Ideologie und verfolgt einen Anti-Drogen-Kulturkampf. Die Vielfalt sexueller Identitäten widerspreche der Biologie. Das sei reine Empfindung, ließ Mileis Pressesprecher verlauten. Zwar besteht das Gesetz weiterhin. Doch die Regierung hat das Frauen- und Gleichstellungsministerium abgeschafft, inklusive Sprache verboten und greift immer wieder Feministinnen und die LGBTQ-Community an. Zudem trifft die strikte Sparpolitik der Regierung gerade Minderheiten am härtesten.

Anne Herrberg, ARD Rio de Janeiro, tagesschau, 01.11.2024 06:35 Uhr