Selenskyj in Polen "Eine Freundschaft für Jahrhunderte"
Bei seinem Besuch in Polen hat der ukrainische Präsident Selenskyj wichtige Rüstungsverträge unterzeichnet. Doch es ging auch um ein Thema, das das Verhältnis zwischen beiden Ländern seit Langem belastet.
Wolodymyr Selenskyj steht im Innenhof des Warschauer Königschlosses. Das Schloss sei ein Symbol, hatte ihm sein polnischer Amtskollege Andrzej Duda am Vormittag erzählt: ein Symbol für die Größe Polens, von den Deutschen zerstört, nach dem Krieg aus Trümmern wieder aufgebaut. Ein Monument des "Sich-nicht-unterkriegen-lassens". Am Mittwochabend steht der Präsident der Ukraine hier und spricht über genau das:
Ist es noch weit zum Sieg? Nein! Man darf nur bei der Solidarität nicht stehen bleiben. Wenn der Kampf Artillerie erfordert, muss man sie gewähren. Wenn der Sieg Panzer braucht, muss an der Frontlinie ihr Donnern zu hören sein, und wenn die Unabhängigkeit eine Luftwaffe erfordert, dann darf man nicht grübeln, wie wohl Russland auf Flugzeuge reagieren wird. Es ist ein Kampf um die Freiheit, und man kann ihn nicht nur halb gewinnen.
Aufarbeitung einer dunklen Vergangenheit
Sich nicht unterkriegen lassen, davon hatte davor auch Duda gesprochen. Seit Selenskyj am Morgen in Warschau eingetroffen war, hatten beide Präsidenten Einigkeit demonstriert, wo es nur ging. Von einer polnisch-ukrainischen Freundschaft für Jahrhunderte hatte Selenskyj gesprochen, nachdem Duda ihn mit dem höchsten militärischen Orden Polens begrüßt hatte.
Der Krieg selbst kam dann kaum vor. Stattdessen schoben sich im 14. Monat nach dem russischen Angriff andere Themen in den Vordergrund. Themen wie die ausstehende Aufarbeitung der ukrainischen Massaker an polnischen Zivilisten im Zweiten Weltkrieg, die auch Premierminister Mateusz Morawiecki ansprach: "Wir hatten zeitweise eine sehr schwierige Geschichte, und heute gibt es die Chance, diese Geschichte aufs Neue zu schreiben, gestützt auf die Wahrheit."
Über die tragischen Morde in Wolhynien habe er auch mit Präsident Selenskyj gesprochen. "Wir bemühen uns sehr, die Zustimmung zu Exhumierungen zu bekommen", so Morawiecki. Selenskyj zeigte sich offen. Noch vor wenigen Jahren war ein polnischer Film über die Massaker in der Ukraine verboten worden.
Polen möchte wichtigster Handelspartner sein
Schöner und moderner werde die Ukraine nach dem Krieg, versprach Präsident Duda - nach einem Sieg der Ukraine. Beim Wiederaufbau werde Polen wohl hoffentlich auch in Zukunft der wichtigste Handelspartner der Ukraine sein, betonte er - mutmaßlich auch mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und dessen Wirtschaftsdelegation im Hinterkopf, die Selenskyj am Vortag noch in Kiew besucht hatten.
In Warschau unterzeichnete die ukrainische Delegation Verträge über Rüstungskäufe: polnische Haubitzen, Flugabwehrraketen und Truppentransporter gegen Geld aus der EU und den USA. Viel Zuversicht, viel Optimismus. Erst am Abend bei den Reden im Warschauer Schloss war dann doch zu spüren, dass der Krieg erst noch gewonnen werden muss.
"Kein Waffenstillstand auf Kosten der Ukraine"
Ein schneller Waffenstillstand um jeden Preis, so Duda, werde das Problem nicht lösen und würde nur auf Kosten der Ukraine gehen: "Damit sind wir nicht einverstanden. Ausschließlich die Ukraine hat das Recht, über ihre Souveränität zu entscheiden. Und die einzige Bedingung, die die Führer der Staaten der Welt stellen sollten, ist der komplette Rückzug der russischen Truppen vom ukrainischen Territorium."
Sein Besuch in Warschau jedenfalls, sagte Selenskyj zum Schluss, sei ein weiterer Schritt zum Sieg.