Stichwahl ums Präsidentenamt Siegt der "kroatische Donald Trump"?
Bei der Stichwahl um Kroatiens Präsidentenamt fordert der Kandidat der Regierungspartei den Amtsinhaber der Opposition heraus. Trotzdem gilt der Präsident als Favorit - denn der polternde Milanovic ist der populärste Politiker.
Bei der heutigen Stichwahl für das Amt des kroatischen Präsidenten stehen sich gegenüber: der stets laut polternde Amtsinhaber, Zoran Milanovic, der sich zuletzt immer wieder kritisch gegenüber Brüssel äußerte und auch die Unterstützung der Ukraine in Frage stellte. Deshalb wird er auch der "kroatische Donald Trump" genannt.
Und: Herausforderer Dragan Primorac von der nationalkonservativen Regierungspartei HDZ, dem immer wieder Korruption vorgeworfen wird.
Ein ziemlich absurdes Schauspiel
Beim TV-Duell der beiden gab es viele Beleidigungen unter der Gürtellinie, was ein bisschen die politische Kultur im Land widerspiegelt. Beim finalen TV-Duell im kroatischen Rundfunk HRT schließlich läuft Präsident Milanovic zur Höchstform auf.
So kennt man den ehemaligen Chef der Sozialdemokraten in Kroatien: überheblich, derb, beleidigend. Milanovic beschimpft Primorac als totalen Analphabeten. Das ganze Duell ist ein ziemlich absurdes Schauspiel. Der konservative Kandidat Primorac versucht sich als der vernünftige darzustellen, derjenige mit Substanz, im Gegensatz zum "peinlichen" Milanovic.
"Einer der zentralen Gründe, warum ich mich der Präsidentschaftswahl stelle, ist Zoran Milanovic", erklärt Primorac. "Er spaltet das Land und international blamiert er uns. Ich bin ein Wissenschaftler, Arzt und Unternehmer. Mein ganzes Leben lang habe ich mein Bestes für meine Heimat Kroatien gegeben."
Beeindruckende Mediziner-Biografie
Tatsächlich hat Primorac eine Mediziner-Biografie, die sich beeindruckend liest. Demnach hat er bei bedeutenden Forschungen mitgemacht, war Professor an Universitäten in Kroatien, in den USA und in China. Doch ihm wurde auch immer wieder vorgeworfen, ein Günstling des Machtsystems der kroatischen Dauerregierungspartei HDZ zu sein. Eine Partei, der immer wieder Korruption vorgeworfen wurde und die in ihrer Regierungszeit mehr als 30 Minister verloren hat - überwiegend wegen Korruption.
Primorac' Gegner sagen, dass er in Kroatien eine private Poliklinik betreibt, die davon profitiert, dass das öffentliche Gesundheitssystem von der HDZ kaputtgespart worden sei. Präsident Milanovic legt beim TV-Duell noch einen drauf und versucht, Primorac zu erniedrigen:
Viele Leute sind Wissenschaftler. Ich kenne viele aus Kroatien, die weltweit Karriere gemacht haben und dort Lehrstühle innehaben. Herr Primorac war in den 2000er-Jahren fünfeinhalb Jahre lang kroatischer Wissenschaftsminister. Währenddessen hat er dafür gesorgt, dass er im Anschluss, nach nur zwei Monaten Pause, Dozent in Osijek werden kann - außerordentlicher Professor in Osijek, natürlich nicht in Zagreb.
Primorac entgegnet: "Sie haben doch keinen blassen Schimmer von der Wissenschaft. Sie haben keinen Doktortitel." Worauf Milanovic sagt: "Ich habe in meinem Leben viel mehr Bücher gelesen als Sie."
Zoran Milanovic und Dragan Primorac beim TV-Duell.
Amtsinhaber ist populärster Politiker
Auch wenn die Diskussion fast schon albern-kindische Züge bekommt, ist Präsident Milanovic Kroatiens populärster Politiker. Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl, als es noch acht Kandidaten gab, holte er 49 Prozent der Stimmen. Primorac holte als Zweitplatzierter nur 19 Prozent.
Bei der Stichwahl an diesem Sonntag ist Milanovic der haushohe Favorit für eine zweite Amtszeit. Dabei ist er derjenige, der auf die stärkste Partei Kroatiens - die HDZ - und auf ihren Kandidaten Primorac einhackt.
Der Südosteuropaforscher vom österreichischen Institut für internationale Politik in Wien, Vedran Dzihic, erklärt, wie Milanovic es schafft, aus dem Lager der Sozialdemokraten zu kommen und im überwiegend konservativen Kroatien die Wahlen zu gewinnen. Milanovic könne sich dauernd verwandeln und habe schon mehrere Metamorphosen durchgemacht, sagt Dzihic. "Als er das erste Mal zum Präsidenten Kroatiens wurde, hatte er eine sehr ausgeprägte liberale Rhetorik, eine Menschenrechtsrhetorik, es ging ihm um Emanzipation."
Seitdem sei er zu einem lauten, polternden, deftigen Präsidenten mutiert. Die Menschen schätzten Authentizität, manchmal auch das Derbe, meint Dzihic. Aber sein Charakter sei auch sehr widersprüchlich. "Das heißt, da kommt auch manchmal Rassismus vor. Nationalismus ist immer da, Populismus auch sehr stark."
Fast ausschließlich repräsentative Funktion
Zoran Milanovic scheint das Kunststück zu gelingen, einerseits der Kandidat der linken Opposition zu sein, aber auch Konservative und Rechte abzuholen. Die finden es gut, dass sich jemand deutlich gegen Korruption und gegen die Langzeit-Regierungspartei HDZ ausspricht. Auch wenn ein Präsident fast ausschließlich eine repräsentative Funktion hat.
Und so wird Milanovic, wenn er die Stichwahl an diesem Sonntag erwartungsgemäß gewinnt, fünf weitere Jahre gegen die kroatische Regierung poltern können.