Streit um Agrarprodukte Ukraine verklagt Polen, Ungarn und Slowakei
Die Regierung in Kiew hat Polen, Ungarn und die Slowakei wegen deren Importverbot für ukrainische Agrarprodukte vor der WTO verklagt. Dennoch hoffe man auf eine Einigung ohne Gerichtsentscheidung, so Handelsministerin Swyrydenko.
Die Ukraine hat Polen, Ungarn und die Slowakei wegen deren Einfuhrverbot für ukrainische Agrarprodukte vor der Welthandelsorganisation (WTO) verklagt. Die drei Nachbarländer der Ukraine hatten am Freitag eigene Beschränkungen für ukrainische Getreideimporte angekündigt.
Drohung mit Vergeltungsmaßnahmen
Es sei für Kiew "von entscheidender Bedeutung", feststellen zu lassen, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten den Import ukrainischer Güter nicht verbieten könnten, erklärte die ukrainische Handelsministerin Julia Swyrydenko. Ihre Regierung hoffe jedoch, "dass diese Länder ihre Beschränkungen aufheben und wir die Angelegenheit nicht lange vor Gericht klären müssen", fügte Swyrydenko hinzu.
Der ukrainische Handelsbeauftragte Taras Kachka hatte zuvor der Publikation "Politico" gesagt, die Ukraine könne zudem Maßnahmen gegen Polen verhängen, wenn Warschau seinen Kurs nicht aufgebe. "Wir wären gezwungen, Vergeltungsmaßnahmen für die zusätzlichen Produkte zu ergreifen und würden die Einfuhr von Obst und Gemüse aus Polen verbieten."
Polens Regierung zeigte sich von der Klage unbeeindruckt. "Wir bleiben bei unserer Position", sagte Regierungssprecher Piotr Müller dem Fernsehsender Polsat News. Diese sei "gerecht" und im Einklang mit EU-Recht und Völkerrecht.
EU-Verbot seit Freitag aufgehoben
Im Mai hatte die EU ein Embargo verhängt, das es Bulgarien, Polen, Rumänien, der Slowakei und Ungarn erlaubte, den Verkauf von ukrainischem Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkernen im Inland zu verbieten. Der Transport dieser Produkte durch diese Staaten blieb jedoch erlaubt.
Dieses Verbot ließ die EU am Freitag auslaufen, nachdem die Ukraine erklärt hatte, Maßnahmen zur strengeren Kontrolle der Exporte in Nachbarländer zu ergreifen.
Das EU-Verbot sollte die Landwirtschaft in den Ländern vor Konkurrenz schützen und so einen Preisverfall verhindern. Da die Ukraine seit dem russischen Angriff nur noch eingeschränkt Getreide Richtung Nahost und Afrika exportieren kann, wurde der EU-Markt für das Land, das rund die Hälfte seiner wirtschaftlichen Einnahmen aus dem Getreideexport erzielt, zunehmend interessant. Der Export über das Schwarze Meer wird derzeit ganz von Russland blockiert, so dass die Ukraine andere Exportwege finden muss.
Özdemir hält Verbot für unrechtmäßig
Viele EU-Agarminister zeigten sich von den drei osteuropäischen Mitgliedsländern irritiert. Nach Ansicht von Bundesagrarminister Cem Özdemir sind deren eigenständig aufrechterhaltenen Importbeschränkungen wohl nicht mit EU-Recht vereinbar. Er sehe keinen Anlass für solche Maßnahmen, sagte er. Der Markt näme das ukrainische Getreide nach seinen Informationen sehr gut auf. Özdemir beklagte "eine part-time-Solidarität".
Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig sagte, die EU-Kommission sei nun gefordert: "Alleingänge führen zu Verwerfungen, unter denen andere leiden. Und deshalb ist die Kommission hier gefordert, die drei Staaten wieder mit ins Boot zu holen."
Auch der spanische Landwirtschaftsminister Luis Planas hält einseitige Maßnahmen, die den Zugang zum Binnenmarkt einschränken, nicht vom Gesetz gedeckt, wie dieser sagte. Spanien hat derzeit den Vorsitz unter den EU-Staaten inne.
Proteste gegen Importe in Bulgarien
In Bulgarien haben Landwirte mit Blockaden gegen die Aufhebung des Importstopps für Getreide aus der Ukraine protestiert. Im ganzen Land sperrten die Demonstranten heute Fernstraßen und Zufahrtsstraßen zu Grenzpunkten nach Rumänien und Griechenland vorübergehend.
Sie fordern, dass auch Bulgarien weiter die Einfuhr von Weizen, Sonnenblumenkernen, Mais und Raps aus der Ukraine untersagen soll. Zudem fordern sie einen Importstopp für Speiseöl, Obst und Gemüse, Milch- und Milchprodukte, Fleisch, Vieh und Honig aus der Ukraine. Ministerpräsident Nikolaj Denkow sagte jedoch am Sonntag mit Blick auf die Proteste, er werde "mit Terroristen nicht verhandeln".
Slowakei beharrt auf Verbot
Die Slowakei will an ihrem Importverbot für bestimmte Agrarprodukte aus der Ukraine festhalten. Das sagte Landwirtschaftsminister Jozef Bires der Nachrichtenagentur TASR nach Beratungen der EU-Landwirtschaftsminister in Brüssel. Bires zeigte sich von der Klage "überrascht" und verteidigte das slowakische Vorgehen: "Es ist eine natürliche Reaktion, den nationalen Markt vor einer übermäßigen Einfuhr zu schützen."
Da die EU-Kommission das bis 15. September geltende Importverbot nicht verlängert habe, sei ein nationales Verbot unausweichlich gewesen. Im Unterschied zu Polen und Ungarn wolle die Slowakei es aber nicht auf mehr als die vier bisher betroffenen Produkte - Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumensamen - ausweiten.
Bires betonte, dass die Slowakei trotz der ukrainischen Klage dem Nachbarland weiterhin dabei helfen werde, sein Getreide auf den Weltmarkt zu bringen: "Ich will bestätigen, dass wir weiter mit der Ukraine solidarisch sind und sie weiter unterstützen." Er wies darauf hin, dass der Umfang des Transits von ukrainischem Getreide durch die Slowakei in den vergangenen Monaten sogar größer geworden sei.
Mit Informationen von Holger Beckmann, ARD-Studio Brüssel