Wagner-Chef Prigoschin widerspricht russischer Kriegsbegründung
Der Chef der Wagner-Gruppe Prigoschin hat erneut die russische Armee-Führung attackiert - und dabei sogar die offizielle russische Kriegsbegründung infrage gestellt. Moskaus Erfolgsmeldungen seien zudem "totaler Unsinn".
Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat erneut heftig gegen die Militärführung in Moskau gewettert - und deren offizielle Kriegsgründe infrage gestellt. Entgegen der russischen Propaganda-Behauptung sagte Prigoschin in einem Video, Russland sei vor Kriegsbeginn im Februar 2022 überhaupt nicht durch die Ukraine gefährdet gewesen. Die angeblich "wahnsinnige Aggression" vonseiten Kiews und der NATO habe es so nie gegeben.
"Das Verteidigungsministerium versucht, den Präsidenten und die Öffentlichkeit zu täuschen", sagte Prigoschin, der sich bereits seit Monaten in einem internen Machtkampf mit Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu befindet. "Die militärische Spezial-Operation wurde aus ganz anderen Gründen begonnen." Dann fügte der Wagner-Chef hinzu: "Der Krieg war notwendig, damit Schoigu den Titel eines Marschalls erhält. (...) Und nicht, um die Ukraine zu demilitarisieren und zu denazifizieren." Außerdem hätten sich russische und prorussische Oligarchen Vorteile von dem Krieg erhofft, sagte Prigoschin.
Russland rechtfertigt seinen Angriffskrieg immer wieder mit der Propagandabehauptung, das Nachbarland von angeblichen "Neonazis" zu befreien. Ein weiterer Kriegsvorwand ist die durch nichts belegte Behauptung, Kiew hätte Moskau mithilfe der NATO angreifen wollen.
Erfolgsmeldungen seien "totaler Unsinn"
Zudem machte Prigoschin, dessen Kämpfer zuletzt an der Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut beteiligt waren, der russischen Armee auch schwere Vorwürfe mit Blick auf die laufende ukrainische Gegenoffensive. Die täglichen Erfolgsmeldungen über angeblich abgewehrte ukrainische Offensiven seien "kompletter, totaler Unsinn".
Nach Prigoschins Angaben hat die ukrainische Armee durch ihre Gegenoffensive die Truppen Moskaus in einigen Regionen zum Rückzug gezwungen. Die russische Armee ziehe sich an den Fronten von Saporischschja und Cherson zurück, sagte Prigoschin - und widersprach damit offen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der immer wieder vom Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive gesprochen hatte.
"Was sie uns erzählen, ist eine bittere Täuschung"
"Die Streitkräfte der Ukraine drängen die russische Armee zurück", sagte Prigoschin in Online-Netzwerken. "Auf dem Schlachtfeld (...) zieht sich die russische Armee an den Fronten von Saporischschja und Cherson zurück." Mit drastischen Worten erhob der 62-Jährige harte Vorwürfe gegen die russische Militärführung: "Wir waschen uns in Blut. Niemand bringt Verstärkung. Was sie uns erzählen, ist eine bittere Täuschung."
Derweil setzte Russland seine Luftangriffe auf ukrainische Ziele fort. Laut der ukrainischen Luftwaffe konnten bei nächtlichen Angriffen Russlands auf einen Militärflughafen in der Westukraine 13 Marschflugkörper abgefangen werden. Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete dagegen, bei dem Angriff auf ein ukrainisches Waffendepot seien "alle Ziele getroffen" worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.