Deutschland-Besuch von Kuleba "Wir sehen eine positive Dynamik"
Erst Baerbock in Kiew, jetzt ihr ukrainischer Amtskollege in Berlin: Die deutsch-ukrainischen Beziehungen haben sich offensichtlich wieder verbessert. Trotzdem kritisierte Kuleba erneut die Zögerlichkeit bei Waffenlieferungen.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat bei seinem Deutschland-Besuch betont, dass die deutsch-ukrainischen Beziehungen nach den Spannungen und Irritationen der letzten Wochen wieder auf einem guten Weg seien. "Wir sehen eine positive Dynamik. Ich würde der Regierungskoalition und der Bundesregierung gerne dafür danken, dass sie sich vorwärts bewegt." Jetzt müssten allerdings die richtigen Entscheidungen getroffen werden, sagte der ukrainische Außenminister mit Blick auf Waffenlieferungen.
Forderung nach Waffen westlicher Bauart
In einem "Welt"-Interview kritisierte er, dass die von Deutschland zugesagten Gepard-Flugabwehrpanzer gar nicht von der Ukraine angefragt wurden. "Ausschlaggebend für die Bundesregierung scheint eher gewesen zu sein, uns etwas zu geben, was sie selbst nicht braucht", sagte er. Auch die Lieferung von sieben deutschen Panzerhaubitzen 2000 - schwere, moderne Artilleriegeschütze - kritisierte Kuleba als unzureichend. "Zur selben Zeit, als diese Nachricht kam, erhielt ich die Nachricht aus einem sehr kleinen EU-Land, das uns ebenfalls sieben Stück desselben Systems geben wollte. Da stimmen die Dimensionen nicht, das sieht nicht gut aus."
Kuleba forderte die Lieferung von Kampfjets und Raketenabwehrsystemen westlicher Bauart. "Vergessen wir die sowjetischen Systeme, das ist vorbei", sagte er. Als wichtigstes Thema für sein Land bezeichnete er aber die EU-Beitrittsperspektive für sein Land. Die öffentliche Meinung sei auf beiden Seiten dafür, sagte er. "Wir haben einen Moment, in dem wir Geschichte mit unseren eigenen Händen machen."
Kuleba will EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine
Kuleba warb eindringlich für eine EU-Beitrittsperspektive für sein Land. "Die Europäische Union braucht die Ukraine genauso sehr, wie die Ukraine die Europäische Union braucht."
Die EU-Kommission will im Juni eine Empfehlung abgeben, ob die Ukraine zum Beitrittskandidaten werden soll. Danach entscheiden die Mitgliedstaaten - vielleicht schon auf dem EU-Gipfel Ende Juni. Allerdings müssen alle 27 EU-Staaten zustimmen. Die Verhandlungen über ein Beitrittsabkommen dauern in der Regel Jahre.
"Auf dem Weg nach Europa"
Die EU habe in der Vergangenheit mehrfach Angebote gemacht, die sich dann nicht erfüllt hätten, kritisierte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck. "Das darf nicht noch einmal passieren." Der Weg in die EU müsse so gestaltet werden, dass die Ukraine ihn beschreiten, aber auch zu Ende beschreiten könne. Und die Ukraine sei spätestens seit den proeuropäischen Protesten der Jahre 2013 und 2014, "auf dem Weg nach Europa".
Auch SPD-Chef Lars Klingbeil sprach sich für einen Kandidatenstatus für die Ukraine aus. "Wir müssen die Beitrittsperspektiven jetzt auch schnell für die Ukraine, auch für andere Länder eröffnen", sagte Klingbeil, der Kuleba zusammen mit Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich traf.
Russland-Politik der SPD kein Thema mehr
Die Russland-Politik der SPD in den letzten Jahrzehnten ist für Kuleba kein Thema mehr. "Die Vorkriegsgeschichte in den deutsch-russischen Beziehungen und die Rolle der Sozialdemokraten dabei ist etwas, das nun Geschichte ist", sagte er. Der ukrainische Außenminister verwies darauf, dass mit Bundeskanzler Olaf Scholz ein Sozialdemokrat die Kehrtwende bei den deutschen Waffenlieferungen und in der Energiepolitik vollzogen habe. "Ich weiß, dass es nicht einfach ist, solche Entscheidungen zu treffen", sagte Kuleba.
Die Tatsache, dass der Kanzler das mit Unterstützung seiner Partei getan habe, verstehe er als Zeichen der Stärke: "Sie sind stark genug einzugestehen, dass die vorherige Politik gescheitert ist und sie eine neue Politik brauchen." Die SPD wird für eine zu starke Russland-Nähe in den vergangenen Jahrzehnten kritisiert.
Kuleba besucht Deutschland für vier Tage und nimmt unter anderem am G7-Außenministertreffen an der Ostsee teil. In Berlin traf er die Spitzen von Parteien und Bundestagsfraktionen sowie Regierungsmitglieder, darunter Vizekanzler Robert Habeck.