Ukraine-Krieg Russische Armee nimmt Sjewjerodonezk ein
Nach wochenlangen Kämpfen befindet sich die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine nun vollständig in russischer Hand. Die Stadt sei eingenommen worden, heißt es von ukrainischer und russischer Seite.
Die schwer umkämpfte Stadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine ist inzwischen vollständig von russischen Truppen besetzt worden. "Die Stadt steht nun unter der vollständigen Besatzung Russlands", sagte der ukrainische Bürgermeister von Sjewjerodonezk, Olexander Strjuk, im ukrainischen Fernsehen. Sie versuchten dort, ihre eigenen Regeln aufzustellen. "Soweit ich weiß, haben sie eine Art Kommandanten ernannt", erklärte Strjuk. Wo sich der Bürgermeister derzeit aufhält, ist nicht bekannt.
Nach seinen Angaben haben sich regierungstreue Truppen zu großen Teilen aus der Stadt zurückgezogen. Sie hätten andere Stellungen bezogen, sagte der Strjuk der ukrainischen Nachrichtenseite 24tv zufolge. Zahlen und Details nannte er nicht. Die Truppen hätten die Chemiefabrik "Azot" verlassen. Dort hielten sich demnach noch Zivilisten auf. Die ukrainische Armee hatte am Freitag ihren Rückzug aus der Stadt angeordnet. Das sollte einige Tage in Anspruch nehmen.
Das russische Verteidigungsministerium bestätigte nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax die Einnahme der Stadt. Russische Streitkräfte hätten die "volle Kontrolle" erreicht.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Zivilisten verlassen Chemiewerk
Sjewjerodonezk zählte bislang zu den letzten Teilen von Luhansk, die noch nicht von russischen und prorussischen Kämpfern erobert waren. In der Stadt leben heute noch einige Tausend Menschen. Nach Darstellung der prorussischen Separatisten sollen inzwischen mehr als 800 Zivilisten das Chemiewerk verlassen haben, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete.
Laut der Staatsagentur Ria Nowosti steht das Gelände nun unter Kontrolle russischer Truppen und Kämpfer der Seperatisten. Zuletzt gab es unterschiedliche Angaben, wie viele Menschen dort Schutz vor den Angriffen gesucht haben.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Russische Truppen rücken im Osten weiter vor
Zuvor hatte ein anderer Vertreter der Separatisten, Andrej Maroschko, mitgeteilt, russische Truppen seien nun auch nach Lyssytschansk vorgedrungen, der Nachbarstadt von Sjewjerodonezk. Dort gebe es derzeit Straßenkämpfe. Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind durch einen Fluss getrennt und liegen rund 80 Kilometer östlich von Kramatorsk, der Hauptstadt des ukrainisch kontrollierten Teils der Region Donezk.
Sollten die russischen Truppen auch Lyssytschansk einnehmen, könnten sie anschließend Kramatorsk und Slowjansk ins Visier nehmen, um schließlich die gesamte Donbass-Region, das industrielle Herzstück der Ukraine, zu erobern.
Zahlreiche Raketeneinschläge landesweit
Russland hat mehrere ukrainische Regionen mit Raketen unter Beschuss genommen. Sie seien auch aus Belarus abgefeuert worden, erklärte die ukrainische Seite. In den Oblasten Chmelnyzkyj, Lwiw, Mykolajiw, Schytomyr und Tschernihiw seien Einschläge registriert worden, meldete die Nachrichtenagentur Unian. Die Oblast Dnipropetrowsk sei zudem mit Artillerie beschossen worden.
Allein in der Umgebung von Schytomyr - einer Großstadt rund 140 Kilometer westlich von Kiew - schlugen nach Angaben des Bürgermeisters 24 Raketen ein. Dabei sei ein Soldat getötet worden.
Dem ukrainischen Generalstab zufolge feuerte Russland die Raketen auf Schytomyr und Ziele in der zwischen Kiew sowie der belarusischen und russischen Grenze gelegenen Oblast Tschernihiw aus Belarus ab. 20 Raketen seien von belarusischem Territorium und aus der Luft auf das Dorf Desna abgeschossen worden, hieß es in der Mitteilung. Opfer gab es demnach aber keine. Es sei Infrastruktur getroffen worden, erklärte die ukrainische Armee, ohne mitzuteilen, ob es sich um militärische Infrastruktur handelte.
Dem ukrainischen Geheimdienst zufolge schossen Flugzeuge im Süden von Belarus zwölf Marschflugkörper ab. Die Bomber seien vom westrussischen Flughafen Schaikowka gestartet, in den belarusischen Luftraum eingedrungen und nach dem Abschuss der Raketen nach Russland zurückgekehrt. Neben Desna seien auch Ziele in den Oblasten Kiew und Sumy getroffen worden.