Selenskyj zu 500 Tage Krieg "Wir sind das Land der Tapferen"
Vor 500 Tagen begann der russische Angriffskrieg, Tausende Zivilisten wurden seither getötet. Beim Besuch der symbolträchtigen Schlangeninsel ehrte der ukrainische Präsident Selenskyj gefallene Soldaten und betonte den Durchhaltewillen seines Landes.
Zum 500. Tag seit Beginn des russischen Angriffskrieges hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die lange umkämpfte Schlangeninsel besucht. "Heute haben wir unsere ukrainischen Helden geehrt, alle Soldaten, die für diese Insel gekämpft und sie befreit haben", sagte er in einem auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Video. Darin ist zu sehen, wie der ukrainische Staatschef in Begleitung von Militärs mit einem Boot auf die Insel im Schwarzen Meer fährt und dort Kränze für die Gefallenen niederlegt.
"Ich möchte von hier aus, von diesem Ort des Sieges, jedem unserer Soldaten für diese 500 Tage danken", sagte Selenskyj. Er betonte den Durchhaltewillen seines Landes. Die Ukraine werde "niemals durch die Besatzer erobert werden, denn wir sind das Land der Tapferen", sagte er. Wann genau das Video aufgenommen wurde, ist unklar.
Insel als Symbol des Widerstands
Die Schlangeninsel gilt als Symbol des ukrainischen Widerstands. Sie erlangte durch einen Vorfall unmittelbar nach Beginn der russischen Invasion Bekanntheit. Die Besatzung des russischen Kriegsschiffes "Moskwa" forderte die auf der Insel stationierten ukrainischen Grenzschützer am ersten Tag des Krieges auf, sich zu ergeben. "Fick dich, russisches Kriegsschiff!", antwortete darauf ein Grenzschützer in einem Funkspruch, der weltweit auf Schlagzeilen machte.
Zwar wurde die Insel trotzdem von den Angreifern erobert, doch knapp zwei Monate später sank das daran beteiligte Flaggschiff "Moskwa". Im Sommer 2022 eroberte die Ukraine die Insel zurück.
In seinem Video versicherte Selenskyj zudem, die ukrainischen Truppen kämen auch an anderen Stellen der Front voran. Internationale Militärexperten sehen das Land bei der jüngsten Offensive allerdings nur sehr geringe Geländegewinne erzielen.
"Enorme Resilienz auch 500 Tage nach Kriegsbeginn"
Tatsächlich sei es nicht immer leicht, an Informationen zu kommen, sagt ARD-Korrespondent Vassili Golod - auch, weil Russland Desinformation als Kriegselement einsetze und man russischen Angaben daher nicht glauben könne. Von den Militärs höre man aber, dass es schwierig sei, dass die Gegenoffensive langsam vorangehe. "Aber das ist auch etwas, womit die Ukraine gerechnet hat."
Dass Selenskyj die Gefahr auf sich genommen habe, auf die Schlangeninsel zu fahren, zeige, dass er bereit sei, ein Risiko einzugehen. "Das ist ein wichtiges Zeichen an die ukrainische Gesellschaft und 500 Tage nach Beginn des Angriffskriegs etwas, was hohe Symbolkraft hat." Für die Bevölkerung sei der Krieg zermürbend. "Man merkt, dass dieser Krieg an den Menschen zehrt." Viele hätten Freunde und Bekannte verloren. "Und gleichzeitig sagen die Menschen, wir haben keine Alternative - wir müssen uns verteidigen, wir müssen zusammenstehen, weil es unser Land sonst nicht geben wird. Es ist eine enorme Resilienz auch 500 Tage nach Beginn des Angriffskriegs im Land spürbar."
UN: Mehr als 9000 Zivilisten getötet
Auch heute stieg die Zahl der Todesopfer in der Ukraine weiter an. Nach Angaben des Gouverneurs der ostukrainischen Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, wurden bei einem russischen Angriff auf die Stadt Lyman mindestens sechs Menschen getötet und fünf weitere verletzt.
Die UN-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine (HRMMU) teilte mit, dass seit Kriegsbeginn mehr als 9000 Zivilisten getötet worden seien, darunter seien 500 Kinder. Der Krieg verlange der ukrainischen Bevölkerung weiterhin einen "schrecklichen Tribut" ab, sagte HRMMU-Vizechef Noel Calhoun.
UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte derweil die Ankündigung der USA, Streumunition an die Ukraine zu liefern. Guterres wolle nicht, "dass weiterhin Streumunition auf dem Schlachtfeld eingesetzt wird", erklärte ein Sprecher. Die Regierung in Washington hatte am Freitag angekündigt, die von vielen Ländern geächtete Munition an die Ukraine zu liefern. Laut dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan ist die Munition als "Übergang" gedacht, um den derzeitigen Mangel an Artilleriemunition bei der Verteidigung gegen russische Angriffe auszugleichen.