Energieversorgung der Ukraine "Dieser Winter wird die härteste Prüfung"
Vor dem Winter wächst die Sorge um die Energieversorgung in der Ukraine. Die Internationale Energieagentur zeigt sich alarmiert und warnt in deutlichen Worten vor Engpässen. Die EU hat bereits weitere Hilfen zugesagt.
Mit Blick auf den bevorstehenden Winter hat die Europäische Union der Ukraine weitere Unterstützung bei der Energieversorgung zugesagt. "Während die Temperaturen sinken, ist die Europäische Union bereit, ihre Unterstützung für die Ukraine zu verstärken", sagte EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen. "Wir bereiten uns gemeinsam auf den Winter vor."
Das von Russland angegriffene Land werde weitere EU-Hilfen im Umfang von 160 Millionen Euro erhalten. Das Geld solle in die Reparatur der beschädigten Energieversorgung, den Ausbau erneuerbarer Energien, mobile Heizgeräte und Unterkünfte fließen. Für die Unterstützung werde erstmals auf eingefrorene russische Vermögenswerte in der EU zugegriffen.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs seien bereits rund zwei Milliarden Euro an EU-Hilfen in den Energiesektor der Ukraine geflossen. Mit EU-Unterstützung könnten aber nur rund 25 Prozent des Strombedarfs der Ukraine gesichert werden. Es werde schwierig, die übrige Energiemenge in der Ukraine zu erzeugen.
Von der Leyen kündigte zugleich eine Reise nach Kiew an. Am Freitag wolle sie dort mit Präsident Wolodymyr Selenskyj unter anderem um über die Energieversorgung sprechen.
Angriffe auf Kraftwerke, Heizwerke und Übertragungsnetze
Zuvor hatte die Internationale Energieagentur (IEA) vor dem Winter zur Unterstützung bei der ukrainischen Energieversorgung aufgerufen. Angesichts zunehmender russischer Angriffe auf Kraftwerke, Heizwerke und Übertragungsnetze stehe die Energieinfrastruktur des Landes unter großem Druck. Die Stromversorgung von Krankenhäusern, Schulen und anderen wichtigen Einrichtungen könne im Winter noch stärker beeinträchtigt werden, die Wärmeversorgung der ukrainischen Großstädte sei gefährdet.
Das Defizit von bis zu sechs Gigawatt könnte demnach etwa einem Drittel der erwarteten Bedarfs entsprechen. Um die Energieversorgung zu gewährleisten, brauche es Reparatur- und Bauarbeiten, um die Anlagen vor Angriffen zu schützen. Die Partner der Ukraine müssten den Schutz der Energieinfrastruktur verstärken, die Lieferung von Ersatzteilen und die Dezentralisierung der Stromversorgung beschleunigen sowie die Kapazität für Strom- und Gasimporte aus der EU erhöhen, betonte die Energieagentur.
"Das ukrainische Energiesystem hat die letzten beiden Winter dank der Widerstandsfähigkeit, des Mutes und des Einfallsreichtums der ukrainischen Bevölkerung und der großen Solidarität ihrer internationalen Partner überstanden", sagte IEA-Direktor Fatih Birol. "Aber dieser Winter wird bei weitem seine bisher härteste Prüfung sein." Dabei könnten die vorgeschlagenen Hilfsmaßnahmen, wenn sie schnell und effektiv umgesetzt werden, einen großen Unterschied machen.
Bund plant 2024 zusätzliche Hilfen
Unterdessen will die Bundesregierung der Ukraine in diesem Jahr offenbar zusätzlich fast 400 Millionen Euro für Militärhilfe zur Verfügung stellen. Dies gehe aus einem Brief von Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) an den Haushaltsausschuss des Bundestags hervor, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Toncar verweise dabei auf einen durch das Bundesverteidigungsministerium angemeldeten Mehrbedarf und die schwierige Situation der Ukraine im Krieg gegen Russland.
Die Gelder sollten insbesondere zur "Beschaffung militärischer Ausrüstung bei der Rüstungsindustrie" dienen, schrieb Toncar demnach an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Helge Braun (CDU). Erfolge der russischen Streitkräfte hätten die Lage der Ukraine verschlechtert. Sie erlitten durch eine gestiegene Überlegenheit Russlands bei Artillerie und durch den Einsatz von Gleitbomben "hohe materielle Verluste". Es bestehe die "schwerwiegende Gefahr (...), dass die Ukraine ohne signifikant gestiegene Unterstützung in ihrem Verteidigungskampf unterliegt".
Konkret meldete Toncar dem Bericht zufolge deshalb einen Mehrbedarf von bis zu 397,3 Millionen Euro im laufenden Haushalt an und bat den Haushaltsausschuss um Zustimmung. Die Zusatzmittel müssten laut Verteidigungsministerium unverzüglich zur Verfügung gestellt werden, damit sie sich noch "überwiegend im Laufe des verbleibenden Jahres 2024 in der Ukraine auf dem Gefechtsfeld auswirken" könnten.