Kämpfe in Woronesch Wagner-Truppen rücken offenbar weiter vor
Der Gouverneur der russischen Region Woronesch meldet "operativ-kämpferische Maßnahmen" der Armee - die Stadt liegt rund 560 Kilometer südlich von Moskau. Zuvor brachten die Wagner-Söldner bereits die Stadt Rostow unter ihre Kontrolle.
Angesichts des bewaffneten Aufstands der russischen Söldnertruppe Wagner melden Behörden nun Kämpfe im Gebiet Woronesch im Südwesten des Landes. "Im Rahmen einer Anti-Terror-Operation führen die Streitkräfte der Russischen Föderation auf dem Gebiet der Region Woronesch notwendige operativ-kämpferische Maßnahmen durch", schrieb Gouverneur Alexander Gussew auf Telegram. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben derzeit nicht.
Gussew erläuterte nicht konkret, gegen wen die Armee im Gebiet Woronesch kämpft. Zuvor hatte es allerdings Berichte gegeben, dass die aufständischen Wagner-Kämpfer dort einzelne militärische Einrichtungen besetzt hätten. Das gleichnamige Gebietszentrum ist rund 560 Kilometer von der Hauptstadt Moskau entfernt. Es liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Moskau und Rostow am Don, wo Aufständische Militäreinrichtungen besetzt haben.
Wenig später berichtete der Gouverneur zudem von einem brennenden Tanklager. Rund 100 Feuerwehrleute seien an den Löscharbeiten beteiligt. Ob es einen Zusammenhang zu den Kampfhandlungen gibt, ist noch unklar.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wagner-Kämpfer kontrollieren Rostow
Am Freitagabend eskalierte der schwelende Machtkampf zwischen dem Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, und der Militärführung im Kreml. Prigoschin drohte an, mit seinen Kämpfern bis nach Moskau zu ziehen. In der Stadt Rostow im Süden des Landes hätten seine Truppen bereits alle militärischen Einrichtungen übernommen. "Unter unserer Kontrolle befinden sich Militärobjekte Rostows, darunter auch der Flugplatz", sagte der Wagner-Chef in einem auf Telegram veröffentlichten Video. Seine Kämpfer kontrollierten zudem das Hauptquartier der russischen Armee für den Süden des Landes. Dort werden auch die Kämpfe in der Ukraine überwacht.
Indirekt bestätigte der russische Präsident Wladimir Putin in einer Fernsehansprache die Aussagen von Prigoschin. "Faktisch" sei die Arbeit "von Organen der zivilen und militärischen Führung" in Rostow blockiert. Putin griff den Wagner-Chef scharf an und warf ihm vor, aus "übermäßigem Ehrgeiz das eigene Land verraten zu haben".
Armeeführung wendet sich an Wagner-Truppen
Die russische Armee garantierte den Wagner-Söldnern Sicherheit, wenn diese ihre "Rebellion" beendeten. "Sie wurden zu dem kriminellen Unterfangen von Prigoschin und zur Teilnahme an einem bewaffneten Aufstand verleitet", hieß es in einer Erklärung des Militärs. "Wir bitten Sie, vernünftig zu sein und sich mit Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums oder der Strafverfolgungsbehörden in Verbindung zu setzen. Wir garantieren die Sicherheit jedes Einzelnen."
Das Militär rief die Söldner auf, an ihre "Einsatzorte" zurückzukehren und erklärte, viele Söldner hätten sich bereits gemeldet und gebeten, ihre Kasernen wieder aufsuchen zu dürfen.
"Werden bis zum Ende kämpfen"
Die Behörden in Rostow gaben bislang keine Bestätigung heraus, dass die Wagner-Kämpfer Einrichtungen in der Stadt besetzt hätten. Aber sie riefen die Einwohnerinnen und Einwohner auf, in ihren Häusern zu bleiben.
Prigoschin selber erklärte, seine Kämpfer seien von Grenzsoldaten begrüßt worden, als sie in die Nähe der Stadt eingerückt seien. Die Wagner-Soldaten seien an den Kontrollpunkten auf junge Wehrpflichtige getroffen, die keinen Widerstand geleistet hätten. Er fügte hinzu, dass seine Streitkräfte "nicht gegen Kinder kämpfen". "Aber wir werden jeden vernichten, der sich uns in den Weg stellt", sagte er. "Wir rücken vor und werden bis zum Ende kämpfen."
Moskau verhängt "Anti-Terror-Maßnahmen"
In Moskau setzte der Bürgermeister der russischen Hauptstadt, Sergej Sobjanin, eigenen Angaben zufolge "Anti-Terror-Maßnahmen" in Kraft. Dazu zählten verstärkte Verkehrskontrollen, zudem seien Einschränkungen bei Massenveranstaltungen möglich.
Zuvor hatten bereits russische Staatsmedien berichtet, dass die Sicherheitsvorkehrungen rund um bedeutende politische Einrichtungen verstärkt worden seien. Im Internet kursierten Videoaufnahmen, auf denen ein Schützenpanzer und ein gepanzerter Militärlaster vor dem russischen Parlament, der Staatsduma, entlang fahren. Laut der Nachrichtenagentur AP wurden vor dem Verteidigungsministerium Soldaten mit Sturmgewehren postiert. Rund um die Präsidialverwaltung nahe des Roten Platzes im Zentrum von Moskau seien Straßen abgesperrt worden, wodurch der Verkehr zum Erliegen gekommen sei.
Auch der Gouverneur der Region um Moskau, Andrej Worobjow, schrieb auf Telegram von erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und rief die Menschen zudem auf, auf private Autofahrten in Richtung Südrussland zu verzichten.
Prigoschin droht Festnahme und mehrjährige Haft
Die russische Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen gegen Prigoschin wegen "bewaffneten Aufstands" auf. Dem 61-Jährigen drohen laut Generalstaatsanwaltschaft zwischen zwölf und 20 Jahren Freiheitsstrafe.
Prigoschin habe zum Kampf gegen Moskaus Militärführung aufgerufen, hieß es vom Nationalen Anti-Terror-Komitee, dem neben Inlandsgeheimdienst FSB praktisch auch alle anderen russischen Sicherheitsorgane angehören. Der FSB rief die Wagner-Truppen auf, die "kriminellen" und "verräterischen" Befehle Prigoschins nicht zu erfüllen und Schritte für seine Festnahme zu ergreifen.