Aufnahme von Flüchtlingskindern Seehofer wirft Habeck Unredlichkeit vor
Ein "nicht hilfreicher Vorschlag zu einem durchschaubaren Zeitpunkt": In der Debatte um die Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge hat Innenminister Seehofer Grünen-Chef Habeck "unredliche Politik" vorgeworfen.
Mit seinem Vorstoß, bis zu 4000 unbegleitete Flüchtlingskinder aus den überfüllten Lagern in Griechenland nach Deutschland zu holen, hat Grünen-Chef Robert Habeck eine breite innenpolitische Debatte angestoßen. Kaum Zuspruch gab es aus der Bundesregierung.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer erklärte, das Problem der Flüchtlingsverteilung müsse auf europäischer Ebene gelöst werden. Die Situation in den Flüchtlingslagern sei zwar angespannt, aber anders als bei der Seenotrettung bestehe keine unmittelbare Lebensgefahr.
Die EU ist in der Flüchtlingspolitik seit Jahren gespalten. Eine europäische Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Deswegen wurden in den vergangenen Tagen Rufe nach einer humanitären Geste Deutschlands laut.
Seehofer verweist auf deutsche Hilfe vor Ort
Bundesinnenminister Horst Seehofer warf Habeck "unredliche Politik" vor. In den Lagern auf den griechischen Inseln leiste die Bundesregierung bereits massive Hilfe, sagte der CSU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Von Habeck seien ihm hingegen "keine Aktivitäten bekannt, um mit diesem Problem fertig zu werden". Stattdessen komme der Grünen-Vorsitzende "zu diesem durchschaubaren Zeitpunkt mit diesem nicht hilfreichen Vorschlag". Ein Alleingang Deutschlands würde zu einem nicht steuerbaren Sogeffekt führen, warnte Seehofer.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller sagte der "Passauer Neuen Presse": "Den Kindern kann und muss am schnellsten und wirksamsten vor Ort geholfen werden. Ich verstehe hier die Hilflosigkeit der griechischen und europäischen Behörden nicht." In afrikanischen Flüchtlingscamps werde gemeinsam mit den Flüchtlings- und Kinderhilfswerken der Vereinten Nationen, UNHCR und Unicef, schneller und effektiver geholfen, erklärte der CSU-Politiker.
Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte vergangene Woche Deutschland und weitere EU-Staaten zur Aufnahme von weiteren Flüchtlingen gedrängt. Sein Land erreiche die Grenzen der Kapazität. "Wir nehmen 400 bis 500 Menschen pro Tag auf."
Bedford-Strohm: Müssen jetzt ein Zeichen setzen
Unterstützung bekam Habeck für seinen Vorstoß von den Kirchen und Sozialverbänden. Gerade an Weihnachten müsse an die besonders verletzlichen Menschen gedacht werden, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm auf tagesschau24. Jetzt sei die Zeit, ein humanitäres Zeichen zu setzen. Er unterstütze ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung um eine europäische Lösung, aber das eine schließe das andere ja nicht aus. "Man kann nicht immer mit dem Verweis auf die europäische Lösung begrenzte Zeichen der Humanität nach vorne verschieben", so Bedford-Strohm.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte der "Passauer Neuen Presse", die Situation sei nicht nur in den Lagern Griechenlands katastrophal. Die "europäische Gleichgültigkeit in der Flüchtlingsfrage" könne insgesamt nicht so bleiben.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bezeichnete die Aufnahme der minderjährigen Flüchtlinge als machbar: "Die Aufnahme von 4000 Kindern und Jugendlichen würde weder die deutschen und erst recht nicht die europäischen Möglichkeiten überfordern."
Ramelow: Thüringen zur Aufnahme bereit
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow rief die Bundesregierung zum Handeln auf. Sein Bundesland stehe bereit zu helfen und würde 50 Kinder und Jugendliche aufnehmen, bot der Linken-Politiker an. Ähnliche Signale kommen auch aus dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg.
In den Aufnahmelagern im Osten der Ägäis sind nach Angaben der griechischen Regierung etwa 40.000 Menschen untergebracht, obwohl nur Platz für 7500 Flüchtlinge ist. Die humanitäre Lage gilt als dramatisch. Unter den Betroffenen sollen auch mehr als 4000 Minderjährige sein, die dort ohne ihre Eltern ausharren.