Klage vor dem IGH Israel weist Völkermord-Vorwurf erneut zurück
Erneut fordert Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof Maßnahmen gegen Israel. Das Land spricht von einem Völkermord in Gaza. Israels Vertreter weisen das mit scharfen Worten zurück und erheben ihrerseits Vorwürfe gegen Südafrika.
Israel hat vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) erneut den Vorwurf zurückgewiesen, es würde im Gazastreifen einen Völkermord begehen. Der Vertreter Israels, Gilad Noam, nannte die Anschuldigungen Südafrikas eine "Verdrehung der Tatsachen". "Südafrika präsentiert dem Gericht zum vierten Mal ein Bild, das völlig von den Tatsachen und Umständen losgelöst ist", so Noam in seiner Stellungnahme. Südafrika missbrauche das internationale Recht auf "abscheuliche und zynische Weise".
Israel unternehme mehr zur Schonung palästinensischer Zivilisten als die "völkermörderische Terrororganisation Hamas", die ihre eigenen Bürger als menschliche Schutzschilde benutze, führte der Vertreter aus.
Israelische Gegenvorwürfe
Noam betonte, der von Südafrika im Rahmen eines Eilantrags verlangte vollständige Truppenabzug aus dem gesamten Gazastreifen hätte zur Folge, dass Israel sich nicht mehr gegen die fortdauernden Angriffe der palästinensischen Terrormiliz verteidigen könnte. Die Hamas habe von ihrem Vernichtungswillen gegenüber Israel keinen Abstand genommen. Rafah sei inzwischen der "Brennpunkt der Terroraktivitäten".
Der Rechtsvertreter Israels warf Südafrika vor, einen "militärischen Vorteil für die Hamas erreichen" zu wollen und somit quasi als Handlanger der Terrororganisation zu fungieren. Er verwies auf ein Treffen der südafrikanischen Regierung mit Hamas-Mitgliedern vergangene Woche.
Israel: Gehen Fehlverhalten nach
Noam räumte ein, dass in bewaffneten Konflikten Rechtsverletzungen geschehen könnten. Das israelische Militär halte sich jedoch an völkerrechtliche Normen und gehe Vorwürfen von Fehlverhalten nach. So seien 55 strafrechtliche Verfahren eingeleitet worden, auch volksverhetzende Äußerungen gegen Palästinenser würden verfolgt. Im Fall eines Angriffs auf einen Hilfskonvoi auf dem Weg nach Gaza, der sich am 13. Mai bei Hebron ereignete, ermittle die Polizei.
Israel habe nach Aussage des Delegationsleiters dem IGH bereits Ende April einen Bericht über die Schritte vorgelegt, die es zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung und zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen unternommen habe. Für die nächsten Tage kündigte er einen weiteren Bericht zum Vorgehen in Rafah an.
Die Verhandlung war zwischenzeitlich durch eine Störaktion unterbrochen worden. Während der Wortmeldung einer israelischen Rechtsvertreterin rief eine Frau im Gerichtssaal "Lügner". Sie wurde anschließend von Sicherheitsmitarbeitern aus dem Saal geführt.
Vierter Eilantrag
Es ist bereits das vierte Mal, dass Südafrika im Eilverfahren Maßnahmen gegen Israel fordert. Dies geschieht im Rahmen der Völkermord-Klage, die das Land vor dem Gerichtshof im Dezember eingereicht hatte. Das Hauptverfahren wird sich voraussichtlich über Jahre hinziehen. In zwei Eilentscheidungen hatten die UN-Richter Israel jedoch bereits verpflichtet, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern und humanitäre Hilfe zuzulassen. Nach Ansicht von Südafrika hat Israel diese Entscheidungen ignoriert.
In dem aktuellen Eilantrag verlangt Südafrika vor dem obersten UN-Gericht den sofortigen Abzug des israelischen Militärs aus dem Gebiet um Rafah und in Folge aus dem gesamten Gazastreifen sowie ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe. Seine Forderung begründete das Land bei seiner Stellungsnahme am Donnerstag mit der dramatisch veränderten Lage der Bevölkerung. Israel verweigere den Menschen vorsätzlich eine lebensnotwendige Versorgung.
Südafrika: "Rafah ist der Endpunkt"
Israel habe Zehntausende Kinder und Frauen ins Visier genommen, die zivile Infrastruktur zerstört und die Bevölkerung ausgehungert. "Von Anfang an war es die Absicht Israels, das Leben der Palästinenser zu zerstören und sie von der Erde zu tilgen. Rafah ist der Endpunkt", so Südafrikas Anwalt Tembeka Ngcukaitobi.
Ein anderer Anwalt Südafrikas, Max du Plessis, sagte, die von Israel deklarierten Schutzzonen seien ihren Namen nicht wert, da die Menschen oft zu ausgehungert seien, um dorthin zu fliehen. Und jene, die sich in Schutzräume begeben hätten, würden manchmal vom israelischen Militär angegriffen. "An diesen humanitären Zonen ist nichts Humanitäres", sagt der Anwalt. "Israels Völkermord an den Palästinensern geht durch militärische Angriffe und künstlich herbeigeführten Hunger weiter."