Neuverschuldung zu hoch EU lehnt Italiens Haushaltsentwurf ab
Es ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der EU. Erstmals lehnt die Kommission die Haushaltspläne eines Mitgliedsstaates ab: Die Neuverschuldung, die Italiens Regierung plane, verstoße gegen die EU-Regeln.
Die EU-Kommission hat den von Italien vorgelegten Haushaltsplan für 2019 wegen zu hoher Ausgaben abgelehnt. Die Pläne der italienischen Regierung stünden nicht in Einklang mit dem EU-Stabilitätspakt, teilte die Kommission mit.
Salvini: "Es ändert sich nichts"
Italiens Regierung hat nun drei Wochen Zeit, einen neuen Haushaltsplan einzureichen, der den EU-Stabilitätskriterien entspricht. Anzeichen, dass sie dazu bereit ist, gibt es allerdings nicht. Vize-Premier Matteo Salvini sagte erneut: "Es ändert sich nichts." Er warf der EU-Kommission vor, nicht eine Regierung zu attackieren, "sondern ein Volk".
Auch Finanzminister Giovanni Tria hatte die Pläne gestern noch verteidigt: Ihm sei bewusst, dass die Haushaltspläne nicht im Einklang mit dem Euro-Stabilitätspakt stünden, sagte er. Die angepeilte Erhöhung des Defizits sei aber angesichts der "dramatischen wirtschaftlichen Lage, in der sich die benachteiligten Schichten der italienischen Gesellschaft befinden", eine "schwierige, aber notwendige Entscheidung".
Vize-Premier Salvini (links) verteidigte den Haushaltsentwurf ebenso wie Finanzminister Tria.
"Verlockend, Schulden mit noch mehr Schulden zu heilen"
Das sieht die EU-Kommission völlig anders: Deren Vizepräsident Valdis Dombrovskis sagte, es sei "verlockend", zu versuchen, "Schulden mit noch mehr Schulden zu heilen". Aber Italiens Schulden seien schon jetzt teuer. Die Risikoaufschläge für Kredite machten es für Italiens Unternehmer schwerer, an Geld für Investitionen zu kommen, junge Familien kämen schwerer an Geld, um eine Immobilie zu erwerben, und spätere Generationen müssten einen hohen Schuldenberg zurückzahlen. Die Regierung in Rom stelle sich zudem "offen und bewusst" gegen frühere Verpflichtungen und Zusagen an andere Euro-Partner, so Dombrovskis weiter.
In Rom regiert ein Bündnis aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega. Es hatte am 15. Oktober einen Haushaltsentwurf nach Brüssel geschickt, der eine Ausweitung der Neuverschuldung auf 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung vorsieht - dreimal so viel wie von der Vorgängerregierung zugesagt. Damit sollen Wahlversprechen finanziert werden, etwa höhere Pensionen. In der Folge dürfte der bereits sehr hohe Schuldenberg Italiens von 2,3 Billionen Euro weiter wachsen.
Schulden von mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung
Die EU-Regeln sehen unter anderem eine Obergrenze für die Schuldenquote von maximal 60 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung vor. Italien sitzt aber bereits auf einem Schuldenberg von mehr als 130 Prozent - nur Griechenland kommt in der Euro-Zone auf einen noch schlechteren Wert.
Die EU-Kommission prüft die Staatsfinanzen aller 19 EU-Mitglieder, die den Euro als Währung haben. Dass sie einen Haushaltsentwurf zurückweist, ist bisher noch nie vorgekommen.
Direkte Sanktionsmöglichkeiten gibt es zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht. Die EU-Kommission könnte in einem weiteren Schritt ein offizielles Defizitverfahren gegen Italien einleiten. An dessen Ende könnten die EU-Finanzminister theoretisch bei anhaltenden Verstößen gegen die Stabilitätsregeln finanzielle Sanktionen beschließen. Dies scheint jedoch unwahrscheinlich. 2016 ließen die EU-Staaten etwa - allerdings unter etwas anderen Umständen - trotz erheblicher Verstöße Nachsicht mit Spanien und Portugal walten.