Neue italienische Regierung "Es wird ein anderer Wind wehen"
Die neue Populistenregierung in Italien hat große Versprechungen gemacht. Was davon kann sie umsetzen? In Europa werden die Regierungsvertreter sicher forscher als bisher auftreten, sagt Ellen Trapp.
Die neue Populistenregierung in Italien hat große Versprechungen gemacht. Was davon kann sie umsetzen? In Europa werden die Regierungsvertreter sicher forscher als bisher auftreten, sagt Ellen Trapp, ARD-Korrespondentin in Rom.
tagesschau.de: Wie kam es im zweiten Anlauf jetzt doch noch zu einer Regierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega?
Ellen Trapp: Ich glaube, es war zum einen die Erkenntnis, dass eine technische Regierung schlicht und ergreifend keine Unterstützung erhält - und zwar weder vom Parlament noch vom Senat. Eine technische Regierung wäre also ohne das Vertrauen beider Kammern im Amt gewesen - und somit absolut handlungsunfähig. Deshalb haben sowohl Carlo Cottarelli, der vorgesehene Übergangsregierungschef, als auch Staatspräsident Sergio Mattarella versucht, eine politische Lösung zu finden. Sie wollten Ruhe in dieses politische Gewirr bringen, um die Finanzmärkte zu stabilisieren und um eine handlungsfähige politische Regierung zu haben.
Lega-Chef Matteo Salvini hatte auf Neuwahlen gehofft.
Beide haben dafür mit Fünf Sternen und später dann mit Lega verhandelt. Lega-Chef Matteo Salvini - so erscheint es im Moment - hatte bis zum Schluss geblockt, weil er mit dem Rückenwind, den er derzeit hat, Neuwahlen angestrebt hat. Er hoffte, dann stärkste Partei und somit auch Ministerpräsident werden zu können. Und so haben alle verhandelt und am Ende dann doch noch eine Lösung gefunden.
Savona war nicht der Richtige für ein Schlüsselministerium
tagesschau.de: Die Regierungsbildung war im ersten Anlauf an der Personalie des Euro-Kritikers Paolo Savona gescheitert. Nun wird Savona zwar nicht Finanz- und Wirtschaftsminister, soll aber trotzdem der neuen Regierung angehören - als Minister für europäischen Angelegenheiten. Warum war er als Wirtschaftsminister nicht tragbar, als Europaminister aber doch?
Trapp: Das Wirtschafts- und Finanzministerium ist hier in Italien in einem Amt gebündelt - es ist somit ein Schlüsselministerium. Derzeit stagniert die Wirtschaft; es braucht Wachstum, um Arbeitsplätze zu schaffen. Da muss eine Menge auf den Weg gebracht werden - und zwar nicht nur mit nationalem Blickwinkel, sondern auch auf europäischer Ebene. Das gleiche gilt für diesen hoch verschuldeten Staat Italien. Da ist auf europäischer Ebene diplomatisches Geschick gefragt. Man muss dafür sorgen, dass man sich die Freunde erhält und nicht irgendjemanden verprellt.
Der umstrittene Euro-Kritiker Paolo Savona sitzt als Minister für Europäische Angelegenheiten doch noch im Kabinett.
Der eurokritische und deutschlandkritische Savona war vielleicht nicht der Richtige für diesen Posten. Nun ist er Minister für europäische Angelegenheiten - das ist ein Kompromiss. Savona ist trotzdem noch im Kabinett, was ein Erfolg für Matteo Salvini ist, aber er hat keinen Schlüsselministerium mehr - was auch Staatspräsident Matarella als Erfolg verbuchen kann.
tagesschau.de: Was können wir von der neuen Populistenregierung erwarten?
Trapp: Das ist die große Frage. Fünf Sterne und Lega haben sich große Projekte ausgesucht. Sie wollen eine Einheitssteuer ("Flat Tax"), sie wollen ein Grundeinkommen, sie wollen die italienische Flüchtlingspolitik komplett umkrempeln. Sie wollen - salopp gesagt - die Verschuldung erst mal ignorieren und wünschen sich einen Schuldenschnitt. Was genau sie tatsächlich auf den Weg bringen, wird die Zeit zeigen. Wenn alle Minister erst mal ihre Arbeit aufnehmen und wissen, wie es um die Lage Italiens bestellt ist, dann wird sich schnell zeigen, was von den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Projekten noch umgesetzt werden kann.
Neue Regierung wird forsch auftreten
tagesschau.de: Die neue Regierung ist sehr europakritisch. Welche Folgen wird das für Europa haben?
Trapp: Das ist eine spannende Frage, die im Moment schwer zu beantworten ist. Es ist ungewiss, wie sich die beiden Parteien und das Kabinett auf den europäischen oder internationalen Bühnen verhalten wird. Klar ist: Auch diese Regierung wird versuchen, für ein anderes Europa zu kämpfen. Beide wollen den Verbleib in der Eurozone erst mal nicht mehr in Frage stellen. Früher hatte Fünf Sterne noch ein Referendum in dieser Frage angestrebt. Aber es wird sicherlich auf der internationalen Bühne auch ein anderer Wind wehen. Das heißt: Die werden sich schon deutlich forscher und mit einem anderen Ziel auf Brüsseler Ebene bewegen als das die sozialdemokratische Regierung bisher getan hat.
Es bleibt spannend, wie lange die neue Regierung mit Fünf-Sterne-Chef Di Maio (links) und Premier Giuseppe Conte halten wird.
tagesschau.de: Italienische Regierungen halten meist nicht lange. In den vergangenen 72 Jahren gab es 63 Regierungen. Wie stabil schätzen Sie die neue Regierung ein?
Trapp: Im Moment sind die Italienerinnen und Italiener erstmal froh, dass es eine politische Regierung gibt und dass jemand politisch Verantwortung übernommen hat. Klar ist - das hat man selbst bei dieser Achterbahn der vergangenen Tagen gemerkt: Es gibt unendlich viele Streitereien und Probleme zwischen dem Kopf der Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, und Matteo Salvini, dem Chef der Lega. Beide Parteien haben auf so einer hohen politischen Ebene noch nie Regierungsverantwortung gehabt. Da wird sich in der alltäglichen Arbeit zeigen, wie sie zusammenfinden, wie sie Kompromisse finden und wie schnell es dann zu großen Koalitionsstreitereien kommt.