Ausbleibender Tourismus In Bethlehem ist niemand in Weihnachtsstimmung
Bethlehem im Westjordanland lebt vom Weihnachtstourismus. Doch im Krieg bleibt der nun im zweiten Jahr aus. Die Bewohner verzweifeln an den wirtschaftlichen Folgen - und der Sorge um Verwandte in Gaza.
Das Restaurant Afteem kennt in Bethlehem wahrscheinlich jeder. Hier, am Manger Square unweit der Geburtskirche, soll es die besten Falafel der Stadt geben. Zur Winterzeit drängen sich die Besucher in dem Kellergewölbe. Es gibt hier Humus, Kebab und frische Minzlimonade. Nun dröhnt statt Weihnachtsliedern und Speisenlärm nur ein Staubsauger durch den Raum.
Die 120 Stühle blieben derzeit meist leer, klagt Besitzerin Jaqueline Salameh. "Bethlehem lebt vom Olivenholz, der Geburtskirche und Weihnachten. Aber wir sind nicht in Weihnachtsstimmung." Nur in der Ecke steht ein Bäumchen mit roten Kugeln. Für die Kinder, sagt sie. Sonst hängt nur eine einsame Lichterkette von der Decke.
Viele in Bethlehem sind arbeitslos
Bethlehems Gassen sind sonst jetzt übervoll. Pilger kommen hierher, um einmal im Leben diesen Ort im Heiligen Land zu sehen - jenen Ort, an dem nach der biblischen Überlieferung Jesus geboren wurde. Doch die Menschen aus aller Welt kommen nun schon das zweite Jahr nicht mehr. Der Krieg im Nahen Osten hat den Tourismus zum Erliegen gebracht. Und damit die wichtigste Einnahmequelle.
Die Hälfte der Menschen in der Stadt habe derzeit keine Arbeit, erzählt Salameh. Eine Familie könne sich den Besuch im Lokal nicht mehr leisten. Nur manchmal nähmen die Leute noch eine Falafel-Pita auf die Hand für zwei Euro.
Schon vor einem Jahr war der Platz vor der Geburtskirche zur Weihnachtszeit menschenleer. Und so sieht es auch in diesem Jahr aus.
Immer mehr Menschen verlassen die Gegend
Salamehs Familienbetrieb ist in der Altstadt eine Institution, für Einheimische und Touristen. Das Restaurant gibt es schon seit 1948. Nun seien die Einnahmen um 80 Prozent eingebrochen, sagt sie. Die Angestellten verzichteten auf die Hälfte ihres Lohns, damit es überhaupt weitergeht.
So wie ihnen geht es vielen Palästinensern im besetzten Westjordanland. Im Krieg ist hier die Arbeitslosenrate laut dem palästinensischen Zentralbüro für Statistik auf knapp 35 Prozent gestiegen. Wegen zunehmender Verarmung und fehlender Perspektive verlassen immer mehr Menschen die Gegend.
Kein Weihnachtsbaum, kaum Kundschaft
Auch draußen, auf dem Platz vor der Geburtskirche, ist die Stimmung gedrückt. Sonst ist hier alles festlich geschmückt, es gibt einen großen Baum und Weihnachtsbuden. Jetzt bewerben nur eine Handvoll Händler auf Karren Kaffee und Maiskolben. Kundschaft haben auch sie kaum. Autos parken wild durcheinander.
Elias Boulus macht der Anblick traurig. Der junge Mann gehört zu den Schäferscouts, einer Trommlergruppe aus dem Ort Beit Sahour etwas östlich von hier. An Weihnachten ziehen sie hier sonst singend und trommelnd vorbei - jenen Weg entlang, den damals Maria und Joseph genommen haben sollen. Doch auch der Festzug ist abgesagt.
Gedanken an die Menschen in Gaza
"Das sollte kein Parkplatz sein", sagt er. "Aber das ist die Folge des Krieges. Wir leben von einem Tag zum anderen." Auch er habe Familie in Gaza, sagt er, wie die meisten hier. Es mache ihm Angst, wie wenig ein Leben zähle. Wie solle man da Feste feiern, wenn dort die Menschen hungern und sterben? Zwei Verwandte seien bei einem Luftangriff auf eine Kirche getötet worden, ein anderer gestorben, weil er nicht rechtzeitig Hilfe im Krankenhaus fand. Oft gehe er in diesen Tagen in die Geburtskirche, um an sie zu denken.
Es sind nur ein paar Schritte bis dorthin. Drinnen strömt der Geruch von Weihrauch aus Gefäßen von der Decke. Bis auf einen Sicherheitsmann ist niemand sonst im Kirchenraum. Boulous nimmt sich eine Kerze und steigt die Treppen zur Geburtsgrotte hinunter. Ein Stern am Boden markiert, wo die Krippe von Jesus gewesen sein soll. Sonst drängt sich hier alles, steht man hier Stunden in der Schlange. Nun kniet nur eine Ordensschwester im Gebet auf dem kalten Stein.
Auf den Treppen, die hinunter zur Geburtsgrotte führen, ist es leer. Wo eine Nonne ungestört betet, drängen sich sonst viele Menschen.
Stille in der Geburtskirche
"Jetzt habe ich den Ort hier für mich allein und komme viel öfter als sonst", sagt der Trommler Boulous. "Wenn ich mich hoffnungslos fühle, finde ich hier Hoffnung. Ich kann ausblenden, was sonst vor sich geht."
Auf dem Platz vor der Kirche herrscht plötzlich Aufregung. Eine Rakete aus dem Jemen ist übers Westjordanland Richtung Tel Aviv geflogen. Doch niemand hier freue sich darüber, sagt Abud, der unweit der Kirche in einem kleinen Verschlag Souvenirs verkauft. Schals und Tücher bewirbt er sonst als Geschenke für die Familie. Handgemachte palästinensische, betont er. Aber seit zehn Tagen seien die Reporter die ersten Kunden in seinem Laden.
Die Stille in der Geburtskirche mag der inneren Einkehr zugute kommen. Diejenigen, die in Bethlehem vom Tourismus abhängen, würden sich ein anderes Bild wünschen.
Außer Journalisten kommt niemand
"Seit dem 7. Oktober 2023 wird es für uns immer schlimmer", sagt er. Die Touristen glaubten, es sei zu gefährlich, hierher zu kommen. Viele seiner Kollegen hätten ihr Geschäft schon aufgegeben. Er selbst arbeite nebenbei noch als Stadtführer, habe im vergangenen Jahr aber nur zwei Besuchergruppen gehabt. "50 oder 60 Familien leben allein von der Arbeit in den Hotels", sagt er. Doch nun käme außer Journalisten niemand mehr.
Am Ende des Tages hat er einen einzigen Schal verkauft.