Marokko Spanier und Briten helfen im Erdbebengebiet
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Nach dem Beben in Marokko unterstützen jetzt auch ausländische Helfer die Suche nach Überlebenden. Für Diskussionen sorgt die Entscheidung Marokkos, Hilfsangebote von nur vier Ländern anzunehmen.
Nach dem schweren Erdbeben in Marokko haben Helfer aus Spanien und Großbritannien ihre Arbeit aufgenommen. Sie unterstützten gegenwärtig die örtlichen Einsatzkräfte in betroffenen Gebieten, berichtete die marokkanische Nachrichtenagentur MAP.
Großbritannien schickte 60 Such- und Rettungsexperten samt Ausrüstungen sowie vier Suchhunde nach Marokko, wie der britische Botschafter Simon Martin auf der Social-Media-Plattform X mitteilte. Auch eine Spezialeinheit des spanischen Militärs mit Suchhunden war am Sonntag ins Erdbebengebiet aufgebrochen.
Während in Marrakesch und anderen Orten Menschen die dritte Nacht in Folge aus Angst vor weiteren Nachbeben in den Straßen verbrachten, versuchten Helfer in entlegene Bergdörfer vorzudringen. Mit Bulldozern müssen in dem zerklüfteten Gelände Straßen von Erdrutschen befreit werden, damit Krankenwagen durchkommen, wie die Online-Zeitung "Morocco World News" berichtete. Überlebende des schweren Erdbebens schilderten, dass aus den Trümmern der Häuser Leichengeruch ströme.
Für die Einsatzkräfte ist es ein Wettlauf gegen die Zeit: Experten geben einen Richtwert von 72 Stunden an, in denen ein Mensch höchstens ohne Wasser auskommen kann. Die Zahl der Toten stieg mittlerweile auf 2.681, wie das Innenministerium am Nachmittag bekanntgab. Außerdem wurden bisher 2.501 Verletzte gezählt. Mehr als 90 Prozent der Toten seien den Angaben zufolge bisher begraben worden.
Hilfe nur aus vier Ländern angefordert
Spekulationen gab es unterdessen um die Tatsache, dass die marokkanische Regierung trotz der Hilfsangebote mehrerer Länder - darunter auch Deutschland - offiziell nur vier Staaten um Hilfe bat. Neben Spanien und Großbritannien habe man laut Innenministerium auf die Unterstützungsangebote der "befreundeten Länder" Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten reagiert.
Das Ministerium erklärte, die Behörden hätten eine genaue Bewertung der Bedürfnisse vor Ort vorgenommen. Dabei sei berücksichtigt worden, dass ein Mangel an Koordinierung in solchen Situationen zu nachteiligen Ergebnissen führen würde, meldete die marokkanische Nachrichtenseite Hespress.
Diskussion vor allem in Frankreich
Für Diskussionsstoff sorgte diese Entscheidung vor allem in Frankreich, wo zahlreiche Marokkaner leben. Die französische Tageszeitung "Libéracion" fragte etwa: "Wollte sich das Königreich Zeit lassen, um ein Chaos bei der humanitären Hilfe zu vermeiden, wie es ihm nach dem Erdbeben in Al Hoceïma 2004 vorgeworfen worden war? Hat es sich von der Größe der Aufgabe überfordern lassen, zumal der König abwesend war, als sich das Drama ereignete? Oder entschied er sich bewusst dafür, diejenigen, mit denen es diplomatisch im Clinch liegt, wie Frankreich, hinzuhalten?"
Dass Spannungen zwischen beiden Ländern dafür der Grund sein könnten, wies Frankreich Außenminister Catherine Colonna gegenüber dem Sender BFMTV zurück. Marokko sei ein souveränes Land und habe sich zunächst für Hilfe aus anderen Ländern entschieden. Über 60 Länder hätten Unterstützung angeboten und Frankreich stehe weiterhin mit kurz- und mittelfristiger Hilfe zur Verfügung, sagte die Ministerin. Ähnlich äußerte sich auch Innenminister Gérald Darmanin.
Colonna kündigte eine Finanzhilfe von fünf Millionen Euro an. Die Hilfe solle marokkanischen, internationalen und auch französischen Hilfsorganisationen vor Ort zugutekommen.
EU unterstützt Marokko mit einer Million Euro
Finanzielle Hilfe kommt auch von der Europäischen Union. Die EU will Marokko eine Million Euro für humanitäre Hilfe bereitstellen. "Das tragische Erdbeben in Marokko hat schreckliches Leid und den Verlust von Menschenleben verursacht", teilte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, mit. Das Geld soll dabei helfen, die dringendsten Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Menschen zu decken, hieß es.
Deutschlands Angebot steht noch
Auch wenn die Regierung in Rabat das deutsche Hilfsangebot bislang nicht angenommen hat, hält Berlin es weiterhin aufrecht. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wollte sich nicht zu den Gründen für das Zögern der marokkanischen Regierung äußern und fügte hinzu: "Wir stehen zu diesen Hilfsangeboten." Sollte Marokko das Angebot annehmen, "dann werden wir auch liefern", sagte Hebestreit.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte: "Politische Gründe kann man hier ausschließen." Die marokkanische Regierung habe sich für das Angebot bedankt, es aber bislang nicht angenommen. Möglicherweise gebe es dafür organisatorische oder logistische Gründe auf marokkanischer Seite, sagte der Außenamtssprecher. "Ich bin sicher, dass man sich sehr genau Gedanken gemacht hat, welche Einsatzkräfte man wo ein einsetzen kann." Der Stand der diplomatischen Beziehungen zu Marokko sei "gut".
Regierung legt Hilfsfonds auf
Die marokkanische Regierung selbst will für die notleidende Bevölkerung einen Hilfsfonds auflegen. Damit sollten unter anderem Kosten zur Absicherung beschädigter Häuser gedeckt werden, berichtete Hespress unter Berufung auf einen Regierungssprecher. Zur Höhe des Fonds gab es keine Angaben. Er solle sich aus Geldern öffentlicher Einrichtungen und freiwilliger privater Beiträge zusammensetzen, hieß es.
Das Erdbeben der Stärke 6,8 hatte Marokko in der Nacht zu Samstag erschüttert. Dabei wurden auch mehr als 2.400 Menschen verletzt. Zur medizinischen Versorgung der Betroffenen wurden nach Angaben der Behörden neben den ortsansässigen Krankenhäusern und Ambulanzdiensten mehr als 1.000 Ärzte sowie 1.500 Pflegerinnen und Pfleger mobilisiert.
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten vom Erdbeben betroffen.