Trudeaus Freund Bronfman Die Tricks von Trudeaus Spendensammler
Superreich, politisch aktiv und freundschaftlich eng mit Premier Trudeau verbunden: Zwei Unternehmer-Familien im Dienste der Liberalen Partei haben in Kanada offenbar Millionen an Steuergeldern vermieden, wie die "Paradise Papers" zeigen - und das, obwohl ihre Partei offensiv für Steuer-Fairness wirbt.
"Das System ist unfair. Das System motiviert die Reichen, weniger Steuern zu zahlen, sodass die Kanadier der Mittelklasse mehr zahlen müssen", twitterte Justin Trudeau erst vor kurzem. "Das ist falsch und das werden wir ändern", betont er immer wieder das Versprechen seiner Liberalen Partei. Dafür haben viele Kanadier sie gewählt.
Nun tauchen zwei Unternehmerfamilien in den Daten der "Paradise Paper" auf, die seit vielen Jahren mit Trudeaus Familie eng befreundet sind. Einer von ihnen: Stephen Bronfman. Der Kanadier begleitete Trudeaus Aufstieg intensiv und warb ihm das nötige Geld für seine Kampagnen ein. Anschließend beförderte Trudeau seinen Spendensammler 2013 zum offiziellen Fundraiser der Liberalen Partei. Ein entscheidender Posten.
"Ich mache viele Dinge, die ich mag. Mein Geschäftsfeld ist interessant, und die Wohltätigkeit ist gut für die Seele." So beschreibt Stephen Bronfman im Wirtschaftsmagazin "Forbes" sein Leben. Der 53-Jährige sieht sich selbst als Wohltäter. Dass er Millionenbeträge für Umweltprojekte und jüdische Anliegen spenden kann, verdankt er Claridge. Seine Investitionsfirma in Montreal steckt ihr Geld in Immobilien, Fonds und Unternehmen. Die "Paradise Papers" zeigen nun, dass sowohl Claridge als auch Bronfman persönlich mit einem millionenschweren Offshore Trust verbunden waren, der Kanada und die USA Millionen an Steuern gekostet haben könnte. Die kanadischen Zeitung "Toronto Star" und der Sender CBC haben mehr als 5.000 Dokumente zum Kolber Trust und seinem Nachfolger, dem Lacombe Trust, auf den Cayman Islands ausgewertet.
Stephen Bronfmans Vater baute den Spirituosenhersteller Seagram auf.
Bronfman, Kolber und Trudeau: Familienbande
Die Bronfmans sind seit langem privat und geschäftlich eng mit der Familie Kolber verbunden. Familienoberhaupt Leo Kolber führte jahrzehntelang das Vorgängerunternehmen von Claridge und ist der Patenonkel von Stephen Bronfman. Im Jahr 1991, Leo Kolber war zu dieser Zeit Senator der Liberalen Partei, gründete er den Kolber Trust auf den Cayman Islands. Memos in den "Paradise Papers" legen nahe, dass der Trust angelegt wurde, um Leos Sohn Jonathan, der damals für Claridge nach Israel ging, zu entlohnen. Der Anwalt der Kolbers und Bronfmans schreibt dem ICIJ, der Trust sei eingerichtet worden, weil zu der damaligen Zeit die politische Lage in Israel instabil gewesen sei und Neu-Israelis geraten wurde, einen Trust zu gründen.
Obwohl Bronfmans Firma Claridge keine offizielle Rolle beim Kolber Trust inne hatte, zeigen die Dokumente, dass die Aktivitäten des Kolber Trusts eng mit den Bronfmans verbunden waren - über Finanzberater, Anwälte und Kredite. Im Laufe der Jahre liehen Bronfman persönlich sowie Bronfman Trusts dem Kolber Trust mehr als 25 Millionen US-Dollar - zum Teil zinsfrei. Davon profitierte vor allem Jonathan Kolber. Der Israeli erhielt laut den "Paradise Papers" 16,5 Millionen Dollar steuerfrei. Die Unterlagen waren der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt worden, die sie mit Medienpartnern, darunter NDR und WDR, teilte und gemeinsam auswertete.
Auch Jonathan kennt Kanadas Premier seit seiner Kindheit. Denn sein Vater Leo Kolber warb Millionenspenden für Justin Trudeaus Vater ein, den ehemaligen Premierminister Pierre Trudeau. Gemeinsam reisten die Männer in den 1980er-Jahren nach Brasilien und Kambodscha; die Söhne spielten miteinander während die Eltern gemeinsame Abendessen genossen, schreibt Kolber in seiner Biographie.
Trust wurde aus Kanada gesteuert?
Aus den "Paradise Papers" geht hervor, dass Claridge-Mitarbeiter und -Berater regelmäßig Transaktionen für den Kolber Trust organisierten und beratend halfen. So beziehen sich Memos auf Treffen in Montreal. Und der mit Claridge arbeitende, kanadische Investmentberater Donald Chazan autorisierte oft Zahlungen für den Trust.
Entscheidungen zum Geschäft müssen allerdings auf den Cayman Islands von unabhängigen Treuhändern getroffen werden. Sonst könne der Trust in Kanada als "heimisch" eingestuft und nachbesteuert werden, sagt die Steuerrechtsexpertin der Universität von Sherbrooke, Marwah Rizqy dem kanadischen NDR-Medienpartner CBC: "Wo triffst du die wichtigsten alltäglichen Entscheidungen? Wenn die Antwort ist "in Kanada", dann ist es ein kanadischer Trust."
Auch Jonathan Kolber bestätigte in einem Telefoninterview vor einigen Wochen gegenüber dem Sender CBC, dass Berater Chazan den Trust aus Kanada managte: "Er war der Berater. Er war derjenige, der die Entscheidungen traf." Kolbers Anwalt hingegen widerspricht gegenüber dem ICIJ seinem Klienten: "Das zentrale Management und die Kontrolle über den Kolber Trust (und den anschließend gegründeten Lacombe Trust) war niemals in Kanada."
Steuerbehörden könnten Täuschungsabsicht erkennen
Besonders ein Vorgang aus den Unterlagen wirft Fragen auf. Bronfman Trusts hatten dem Kolber Trust 2002 gut vier Millionen Dollar geliehen. Die Familien hatten verabredeten, dass der Kredit zinsfrei sein sollte. Da das Gesetz allerdings verlangte, dass der Kolber Trust an die Bronfmans Zinsen zahlt, kamen die Berater auf eine Idee: Bronfmans Firma Claridge bekam eine Rechnung für "erbrachte Leistungen" über die Höhe der Zinsen vom Kolber Trust. So sah es aus, als würde Kolber Zinsen zahlen, bekamen diese aber wieder zurück.
Der Steuerexperte der University of Florida Grayson McCouch meint im Gespräch mit dem ICIJ, diese Abmachung könnte als Betrug gewertet werden. "Für einen Beobachter, besonders die Steuerbehörde, könnte diese aussehen wie der Beweis einer Täuschungsabsicht." Kolbers Anwalt betont, dass keine solche Rechnung ausgestellt worden sei. Ein ehemaliger Claridge Mitarbeiter bestätigt jedoch, dass Jonathan Kolber "geringe Summen" in Rechnung stellte.
Auf den Cayman Islands ist der Kolber Trust registriert.
Kolber: Trusts waren in Kanada nicht steuerpflichtig
2013 und 2014 beschlossen Kanada und Israel neue Gesetze. Offshore-Anlagen sind seitdem zu versteuern. Der Kolber Trust und der Schwestertrust Lacombe wurden daraufhin geschlossen. Sie waren damals 64 Millionen Dollar schwer, worauf Jonathan Kolber Steuern in Israel zahlte.
In Kanada, so Kolbers Anwalt gegenüber dem ICIJ, seien die Trusts nie steuerpflichtig gewesen. Weder Leo Kolber noch Stephen Bronfman hätten je Kapital zum Trust beigetragen. Dem widerspricht allerdings die Steuerübereinkunft, die Jonathan Kolber mit Israel schloss. Dort erklärte er gegenüber den Behörden, dass das Geld des Trusts aus dem Vermögen seines Vaters stamme.
Möglicher Steuerschaden könnte in die Millionen gehen
Wie viel Geld Kanada durch den Kolber Trust entgangen sein könnten, sei schwer zu sagen, meint Geoffrey Loomer, Steuerprofessor der Dalhousie University gegenüber dem ICIJ. "Wir reden über Millionen an Einkommen und wahrscheinlich Millionen an Steuern plus Zinsen." Kolbers und Bronfmans Anwalt sieht das anders. Anschuldigungen von Steuervermeidung oder Verschleierung seien falsch und eine Verdrehung der Fakten, schreibt er dem ICIJ. Die Trusts hätten alle Gesetze und Regelungen befolgt. "Meine Klienten haben immer korrekt und ethisch gehandelt, wobei sie alle Gesetze und Anforderungen komplett befolgt haben." Keine der Transaktionen sei eingerichtet worden, "um Steuern zu umgehen oder zu vermeiden."
Die Liberale Partei sagte auf Anfrage des ICIJ lediglich, Bronfman arbeite lediglich als Freiwilliger für die Partei und kümmere sich nicht um politische Entscheidungen, sondern lediglich darum, Spenden zu sammeln.